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Demokratie paradox

Im Niger sind die Militärs, die im April putschten, beliebt. Aber fürs Ausland bereiten sie den Abgang vor   ■  Aus Niamey Sandra van Edig

„Warum sollte ich denn zum Wahlbüro gehen?“ fragt Amadou. „Es gab ja nichts zu wählen!“ Die Haltung des Ladenbesitzers in Nigers Hauptstadt Niamey ist typisch für die Zurückhaltung, mit der die Bevölkerung des Sahelstaates die Manöver an der Staatsspitze für eine Rückkehr an die Demokratie betrachtet. Nur etwa 30 Prozent der Wähler beteiligten sich am vergangenen Sonntag am Referendum über eine neue Verfassung, die denn auch mit über 90 Prozent der Stimmen angenommen wurde.

Dabei haben die herrschenden Militärs im Niger mit dem Verfassungsreferendum ihr erstes Versprechen in Richtung einer schnellen Redemokratisierung eingelöst. Nach ihrem Putsch am 9. April, bei dem der 1996 selbst durch einen Putsch an die Macht gekommene Präsident Ibrahim Baré Mainassara von der eigenen Garde erschossen wurde, hatten die neuen Machthaber unter Führung von Oberst Daouda Malam Wanké eine umfassende Reform angekündigt. Wanké ernannte Mitglieder der politischen Elite, um an der Erneuerung des Staates mitzuarbeiten.

Eine Legitimation der Bevölkerung hatten diese Politiker allerdings nicht. Sie rekrutierten sich größtenteils aus einer Garde der alten Politiker, die ihre Erfahrungen mit der Demokratie während der Amtszeit des letzten gewählten Präsidenten Mahamane Ousmane von 1993 bis 1996 gesammelt hatten. Und sie sind inzwischen extrem unpopulär. Man wirft ihnen vor, mehr an die eigenen Pfründen zu denken als an die Zukunft des Landes. Es sind aber nun diese Männer und Frauen, die sich im Herbst zur Wahl stellen und wohl in Zukunft statt des Militärs die politischen Geschicke der Republik Niger bestimmen werden. Der jetzt angenommene Verfassungsentwurf sieht überdies eine Rückkehr zum instabilen System von 1993 - 96 vor, als Präsident und Premierminister sich die Macht teilten.

Viele Nigrer sind der Machtgier der Politiker überdrüssig. Auch deshalb gingen am vergangenen Sonntag wohl nur so wenige ins Wahllokal. Das Militär hingegen genießt einen Bonus. Nicht wenige bedauern, daß eine Verordnung Armeeangehörigen verbietet, bei der Präsidentschaftswahl zu kandidieren. Mohammed, ein Taxifahrer in Niamey, sagt empört: „Es gibt viele fähige Köpfe unter den jetzigen Machthabern, sie sind noch jung und haben Ideen und Energie, doch statt dessen werden nach den Präsidentschaftswahlen wieder die Dinosaurier von 1993 unser Land regieren.“

Denn in Niger, einem der ärmsten Länder der Welt, hat die Übergangsregierung von Oberst Wanké in den letzten drei Monaten vieles getan, um sich zu profilieren. Unter dem ermordeten Vorgänger Baré gehörten Verhaftungen, Folter und das Verschwinden Oppositioneller zum Alltag. Heute atmet die Presse wieder auf. „Wir fühlen uns jetzt sicher und können wirklich frei arbeiten“, so Diaffra Fadimou Moumouni, Chefredakteurin beim staatlichen Fernsehen ORTN. Ihr Kollege von der Agentur Reuters, Abdoulaye Massalatchi, bzeichnet die Stimmung als entspannt. Andersdenkende hätten keine Angst mehr vor Verfolgung.

Baré hatte, so lautet heute das allgemeine Urteil, die Gutgläubigkeit der Bürger ausgenutzt, um sich unter einem demokratischen Deckmantel als autoritärer Diktator zu installieren. Das haben die Nigrer ihm übelgenommen. Die Zeit der Diktatoren sei in Niger vorbei, meint Jeanne Fatondji, Richterin am Justizpalast von Niamey. Sie hat in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse an der Politik festgestellt. Besonders Frauen seien an Demokratie interessiert, denn diese sei das einzige System, das ihnen einen Platz bereithalte. Sie erwartet im Herbst eine rege Wahlbeteiligung.

Doch die Durchführung der Wahlen steht in Frage. Denn während die ausländischen Geberländer mit Baré zusammengearbeitet hatten, reduzierten viele von ihnen nach Wankés Putsch die Kooperation. Für deutsche Experten besteht ein Entsendeverbot. Frankreich, bisher Nigers wichtigster Partner, zog sich vollständig zurück. Das kommt schon jetzt fast einer Katastrophe gleich, denn der nigrische Staat ist so gut wie bankrott. Die Staatskassen sind leer, Staatsangestellte warten seit neun Monaten auf ihre Gehälter.

„Ohne finanzielle Hilfe der Geberländer sind die Wahlen im Oktober und November mehr als gefährdet“, sagt Maitre Souna, Präsident der Wahlkommission. Das könnte sich schnell in einen Teufelskreis verwandeln: Ohne finanzielle Unterstützung wird es keine Wahlen geben, ohne Wahlen wird keine Entwicklungshilfe nach Niger fließen.

Wie prekär die Lage ist, zeigte sich nur drei Tage nach dem Referendum. Oberst Wanké überraschte das Volk am Mittwoch mit einer recht banalen Regierungsumbildung. Innen- und Verteidigungsminister wechselten ihre Ämter, der Informationsminister wurde ganz ausgetauscht. Kurz nach der Verlautbarung wurden die Straßen rund um den Präsidentschaftspalast von Militärs abgeriegelt. Man munkelt, der Verteidigungsminister sei mit seiner Zwangsversetzung nicht einverstanden gewesen. Doch am Nachmittag hatte sich alles beruhigt, die Maschinengewehre waren wieder von der Avenue du General de Gaulle unweit des Präsidentenpalast verschwunden. Dennoch ist nach diesem Morgen klar, wie unsicher die Position von Oberst Wanké ist. Und wie schmal und gefährlich der Weg zurück zur Demokratie sein kann.

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