„Genaue Offenlegung“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer fordert „schonungslose Aufklärung“ und Nato-Hilfe für die Betroffenen

taz: Wie zufrieden sind Sie mit der Informationspolitik der Bundesregierung hinsichtlich der möglichen Folgeschäden des Einsatzes von urangehärter Munition auf dem Balkan?

Hermann Scheer: Seit dem Kosovokrieg gibt es eine allgemeine Tendenz zur Verharmlosung dessen, was die Nato getan und was sie bewirkt hat. Ich habe den Eindruck, dass vielen einstigen Befürwortern des Einsatzes inzwischen die Tatsache, dass der Krieg stattgefunden hat, so unangenehm geworden ist, dass sie am liebsten gar nicht darüber reden und es vedrängen wollen.

Was fordern Sie jetzt konkret?

Die Bundesregierung muss hinsichtlich der Untersuchungen der Soldaten mindestens die gleichen Maßnahmen einleiten, zu denen auch andere europäische Regierungen wie zum Beispiel Italien gegriffen haben. Außerdem muss diese Munition verboten werden, und es ist eine schonungslose Aufklärung über Schadensregionen und Schadensfolgen erforderlich. Dazu gehört auch eine genaue Offenlegung aller damaligen Ziele.

Manches spricht dafür, dass die Bundesregierung die gar nicht kennt.

Umso schlimmer. Wenn sie nicht bekannt sind, lassen sich Schäden nicht beseitigen. Dann kann auch die Zivilbevölkerung nicht geschützt werden. In allen vermuteten Zielgebieten müssen die Zivilisten untersucht werden. Stichproben können nicht genügen. Das gilt auch für Bosnien. Wir wissen ja inzwischen, dass diese Munition auch dort eingesetzt worden ist.

Reihenuntersuchungen sind teuer. Wer soll das bezahlen?

Die Verursacher, also die Nato und ihre Mitgliedsländer. Außerdem müssen Wasser und Böden entseucht werden.

Fordern Sie personelle Konsequenzen?

Das hängt davon ab, ob sich herausstellt, dass die Regierung tatsächlich wesentliche Informationen zurückgehalten hat.

Haben Sie diesen Verdacht?

Ich kann das nicht ausschließen. Zumindest gemessen an den öffentlichen Aussagen zum Thema seit April 1999, bemerke ich eine allzu geringe Neugier und ein vergleichsweise geringes Interesse, dem Thema auf den Grund zu gehen. INTERVIEW: BETTINA GAUS