piwik no script img

Lasst euch verkohlen

Oft verkannt und schlecht behandelt: Das schmackhafte Wintergemüse Kohl bietet viele Varianten und Vitamine satt  ■ Von Nicole Paul

Tomaten, grüne Bohnen oder Paprika im Winter? Kein Problem, heutzutage kommt Gemüse, das bei uns eigentlich nur im Sommer wächst, im Winter eben aus dem Gewächshaus. Oder wird aus fernen Ländern, zum Beispiel aus Kenia oder von den kanarischen Inseln, herangekarrt. Damit das weitgereiste Gemüse die Zeit des Transports übersteht, wird es in der Regel vor der Reife geerntet und schmeckt häufig fade. Mal ganz davon abgesehen, dass lange Wege energiefressend und damit unökologisch sind. Im Klartext: Wer regionale Produkte isst, entlastet die Umwelt, auch der Landwirt freut sich, und besser-weil-frischer schmeckt es außerdem.

Zum Beispiel Kohl: Das einheimische Wintergemüse kommt klassisch als Grün-, Weiß-, Rot-, Rosen- oder Wirsingkohl daher. Diese Sorten werden im Juni gepflanzt und im Herbst kurz vor dem ersten Frost geerntet. Allerdings: „Grünkohl sollte ein wenig Frost abbekommen, da das grobe Gewächs dadurch zarter wird“, sagt Mario Stengel, Gärtner vom Biohof Gut Wulfsdorf. Auch Rosenkohl verträgt ohne weiteres die ersten Nächte unter Null und wird erst Ende Oktober/Anfang November geerntet. Lang andauernde Tiefsttemperaturen um die minus 20 Grad jedoch überleben selbst die härtesten Kohlsorten nicht.

Steckrüben, auch Kohlrüben genannt, gehören ebenfalls zur Familie und werden wie Wirsing-, Weiß- und Rotkohl nach der Ernte im Herbst bei niedrigen Temperaturen eingelagert; so sind sie den ganzen Winter über frisch verfügbar. Und was ist mit Kohlrabi und Broccoli, mit China- oder Blumenkohl? Das sind Sommersorten, die bereits im Mai gepflanzt und zwei bis zweieinhalb Monate später geerntet werden. Modische Neuerscheinungen in der weiten Welt des Kohls sind Pak Choi, eine Kreuzung aus Mangold und Chinakohl, oder der hübsche pyramidenförmige Blumenkohl Romanesco. Auch diese beiden Arten bevorzugen eher sommerliche Temperaturen und können frisch aus heimischen Gefilden also frühestens in einem halben Jahr gekostet werden.

Zurück zu den Winterfreuden. Zugegeben, die klassischen Kohlrezepte sind nicht gerade der Inbegriff der modernen, leichten und gesunden Küche. Rouladen mit Rotkohl, Grünkohl und Pinkel (Pinkel ist eine fette Grützwurst, die traditionell in Bremen und Oldenburg gereicht wird) sind deftige Genüsse, die man unweigerlich mit Großmutters Kochkunst assoziert. Tatsächlich gehört es zu althergebrachten Art der Zubereitung von Eintopfgerichten aus Grünkohl, Steckrüben oder Weißkohl, den Kohl zwei bis drei mal aufzukochen und dazwischen kalt zu stellen. „Das dient der Geschmacksintensivierung“, sagt Ökotrophologin Uta Ebeling vom Gut Wulfsdorf, „widerspricht aber sämtlichen ernährungsphysiologischen Erkenntnissen über vitaminschonendes Kochen.“

Den Grünkohl also bissfest kochen? Da würden eingefleischte Grünkohlesser aufs Schärfste widersprechen. Spitz-, Weiß- oder gar Wirsingkohl jedoch belohnen schonende Behandlung nicht nur mit Vitaminzufuhr, sondern auch mit besonders gutem Geschmack, verspricht Atul. Der Küchenchef des vegetarischen Restaurants „Suryel“ in der Thadenstraße 1 gerät beim Thema Wirsing regelrecht ins Schwärmen („ganz feine Sache“) und räumt nebenbei auch gleich noch mit einem Vorurteil auf: Dass Kohl ohne Fleisch nicht schmeckt, das, sagt er erbost, sei „absoluter Nonsense“. Was zu beweisen ist – mit Atuls Rezept für:

Kohlrouladen

Wirsingkohlblätter in kochendem Wasser kurz blanchieren (2 Min.) und abtropfen lassen. Für die Füllung zu gleichen Teilen Haselnussmehl und rohe Zwiebelwürfel mischen, etwas weniger gewürfelten rohen Sellerie hinzugeben, mit Ei binden und mit einem Hauch geriebenem Käse sowie Salz, Pfeffer und – nach Gusto – Knoblauch und Majoran abschmecken. Rouladen auf ein gefettetes Backblech legen, bei 200 Grad 30 bis 40 Minuten backen, bis sie leicht angebräunt sind (zwischendurch mit Butter bepinseln).

Buchtipp: Martina Kiel, Karola Wiedemann, „Mangold, Kürbis & Co. – Neue Rezepte für alte Gemüse“, Gräfe und Unzer, 19.80 Mark

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen