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Alles Killefitz

Die Moderatorin Anne Will ist für den diesjährigen Grimme-Preis nominiert worden. Obwohl sie früher nichts mit Fernsehen am Hut hatte. Ein Porträt

von ANNE ZUBER

Zwischen all den Hart-und Beckmännern, die in der ARD ihre Olympia-Magazine präsentierten, gab es im letzten Jahr in Sydney eine einzige Frau. Dieselbe, die als erste Moderatorin nach fast vierzig Jahren Sendung ein Jahr zuvor die Sportschau präsentierte: Anne Will.

Zu behaupten, die 34-Jährige habe hart für diese weibliche Solorolle gekämpft, wäre gelogen. Es ist eher so, dass andere hart gekämpft haben, um sie zu überreden. Am Anfang ihrer Karriere war Anne Will nämlich davon überzeugt, dass nur Radio und Print eine ernsthafte Form des Journalismus darstellten, Fernsehmenschen waren ihr unsympathisch. Als sie nach ihrem Studium (Anglistik und Geschichte) beim SFB volontierte, konzentrierte sie sich darum vor allem auf den Hörfunk. Ihre letzte Ausbildungsstation war die bimediale Sportredaktion, und dort fragte der Leiter Jochen Sprentzel sie nach zwei Wochen, ob sie nicht mal das Moderieren ausprobieren wolle. Wollte sie eigentlich nicht: „Ich hatte das ja beobachtet, wie viel Druck auf demjenigen liegt, der am Schluss die Arbeit von ganz vielen zu verkaufen hat. Wie die Maskenbildnerin noch einmal hineingeschleudert kommt, alle zupfen an einem herum und reden auf einem ein, und dann ist man live drauf – das war mir alles nichts.“

Trotzdem ließ sie sich breitschlagen, machte den Test – und fand ihn furchtbar. „Genau wie ich mir das vorgestellt hatte. Viel zu viel Bohai.“ Danach fuhr Anne Will zu ihren Eltern nach Köln, legte sich dort sechs Wochen auf das Sofa und stellte sich tot. Vergebens. Beim SFB war man längst von ihr überzeugt. Mit dem Angebot, Streckenreporterin beim Marathon zu sein, lockte Sprentzel sie wieder nach Berlin. Einem Politikredakteur fiel sie dabei so nachdrücklich auf, dass sie wenig später nicht nur den „Sportpalast“, sondern auch die Talk-Sendung „Mal ehrlich“ (zusammen mit Andreas Schneider und Natasche Cieslak) moderierte. Ein rasanter Start, aber Anne Will blieb verhalten. Der Bohai. Das Zupfen. Leute die einem erzählen, welche Farbe das Jackett haben sollte.

Heute sagt sie: „Alles Killefitz“ im Verhältnis zu dem Spaß, den man dabei hat. Sydney zum Beispiel sei „super“ gewesen, sehr beeindruckend und natürlich auch eine Herausforderung. „Bei 542.000 Sportarten mit 12.345 Unterdisziplinen muss man schon höllisch aufpassen, dass man all die Begrifflichkeiten richtig parat hat.“ Anne Will hat sie nicht nur parat. Sie lässt sich Worte wie „Drei-Stellungs-Kampf“ und „Schwere-Männer-Riemen-Boote“ extra genüsslich auf der Zunge zergehen.

Das gefiel scheinbar auch den Nominatoren des 37. Grimme-Preises: Zusammen mit unter anderem Gabi Bauer, dem Lindenstraßen-Vater Hans W. Geissendörfer und Harald Schmidt kann sich die Kölnerin in diesem Jahr Hoffnungen auf die journalistische Trophäe machen. Am 23. März werden die begehrten Preise verliehen. Und Frau Will hätte bestimmt auch dazu einen ihrer knappen Kommentare parat. So etwas wie „Klasse, oder?“

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