piwik no script img

Auf der Flucht erschossen

Der von einem SEK-Beamten in einem Supermarkt tödlich Verletzte hatte selbst nicht geschossen. Er trug nur eine Gaspistole. Seine 16-jährige Freundin hatte zuvor per Handy aus dem Markt das Startzeichen zum Überfall gegeben. Drei Haftbefehle

von SABINE AM ORDE

Der 23-jährige Räuber, der am Montag von einem Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei mit zwei Schüssen tödlich verletzt wurde, hatte selbst nicht geschossen. Er war nicht mit einer scharfen Waffe, sondern mit einer Gaspistole bewaffnet. Das sagte gestern Oberstaatsanwalt Victor Weber.

Gegen den Beamten läuft von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Gegen drei mutmaßliche Räuber sind Haftbefehle erlassen worden. „Die Tatverdächtigen sind keine Unbekannten für uns“, so Weber. Mindestens sechs Raubüberfälle auf Tankstellen und Supermärkte sollen auf das Konto der miteinander verwandten Tatverdächtigen gehen.

Die Polizei hatte durch Telefonüberwachung und anschließende Observation von Mike L., dem bei dem Überfall getöteten mutmaßlichen Haupttäter, von dem geplanten Überfall auf den Supermarkt am Anton-Saefkow-Platz in Lichtenberg erfahren. SEK-Beamte hätten daher Markt und Umgebung besetzt, sagte der Leiter der Raubinspektion, Manfred Schmandra. Kurz vor 19 Uhr erschienen drei Verdächtige. Ziel sei es gewesen, sie gleich beim Betreten festzunehmen. Doch die Beamten wussten nichts von der 16-jährigen Freundin von Mike L. Die war schon im Laden und gab von dort per Handy plötzlich das Startzeichen zum Überfall.

Die drei Verdächtigen stürmten nach Angaben der Polizei in den Markt. Mike L. bedrohte die Verkäuferin an der Brottheke im Vorraum des Markts. Die 27- und 21-jährigen Mittäter rannten in den Kassenbereich, wo sich auch Kunden aufhielten. Einer der beiden soll mit zwei Gaspistolen bewaffnet gewesen sein. Nach der schnellen Festnahme seiner beiden Komplizen flüchtete Mike L. aus dem Markt. Dabei sei er mit erhobener Waffe auf einen SEK-Beamten zugelaufen, sagte Oberstaatsanwalt Willi Wiedenberg. Ein zweiter Beamter gab daraufhin drei Schüsse ab. Zwei trafen Mike L., einer von rechts, einer von hinten in den Rücken. Durch beide Schüsse wurde L.s Leber verletzt, er starb kurz darauf im Krankenhaus an inneren Blutungen. Wenig später nahm die Polizei zwei weitere Verdächtige in einer nahe gelegenen Wohnung fest. Einer erhielt ebenfalls einen Haftbefehl. Die 16-jährige Schülerin soll erstmals bei einem Überfall dabei gewesen sein. Der Haftbefehl gegen sie wurde nicht vollstreckt.

Unterdessen hat die CDU gestern erneut die Einführung eines „finalen Rettungsschusses“ gefordert. Es gebe in Berlin dazu immer noch keine Regelung, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Gewalt. Der Polizist müsse selbst entscheiden, ob er abdrücke, und damit auch selbst die Verantwortung tragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen