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Tödliche Wertvorstellungen

Sechseinhalb Jahre Haft für Schüler wegen Todesschuss auf Liebhaber der Schwester

Ein 17-jähriger Schüler wurde gestern wegen der Tötung des Liebhabers seiner Schwester vom Landgericht zu 6[1]/2 Jahren Jugendstrafe verurteilt. Er hatte mit seiner Tat „die Familienehre retten“ wollen. Sein Schwager, der ihn zu der Bluttat gedrängt haben soll, erhielt 13 Jahre Haft wegen Totschlags. Während der Urteilsverkündung kam es zu Beifall, aber auch Schreien von Angehörigen der an dem Drama beteiligten türkischen Familien. Wachtmeister griffen ein.

Hintergrund der Auseinandersetzung, bei der es zu den tödlichen Schüssen in Wedding kam, sei die Vorstellung einiger türkischer Familien, dass die Frau sich dem Mann unterzuordnen habe, sagte der Richter in der Urteilsbegründung. Die betroffenen Familien seien stark in traditionelle Wertvorstellungen eingebunden. Die Eltern des damals 16-Jährigen seien verzweifelt gewesen, weil ihre Tochter Schande über die Familie gebracht habe. Auch diese, Ehefrau des 22-jährigen Mitangeklagten, sei in einer fatalen Situation gewesen. Ihre Liebe zu dem 32-jährigen, ebenfalls verheirateten Autohändler, sei aus ihrer Sicht falsch gewesen, sie habe sich aber nicht trennen können. Dramatische Ereignisse und schwere Konflikte trennen bis heute die Familien, sagte der Richter. Auch während des Prozesses sei es immer wieder zu Schreien und Drohungen gekommen. Der Schüler hatte zu Prozessbeginn gesagt, ihm sei immer wieder befohlen worden, den „Hurensohn“ zu töten. Dann sei er der Held der Familie. Er habe große Angst gehabt. Der Autohändler war einige Tage später an inneren Blutungen gestorben. DPA

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