Eingebettet in der ersten Reihe

Mit einer neuen, offensiven Medienstrategie des „Embedding“ will das Pentagon im Irakkrieg die Schlacht um die öffentliche Meinung gewinnen

von SVEN HANSEN

Anders als im letzten Golfkrieg 1991 oder noch im Afghanistanfeldzug setzt das Pentagon bei der jetzt bevorstehenden Invasion in den Irak auf eine völlig neue Medienstrategie. Sie verspricht Kriegsberichterstattern bestmöglichen Zugang zum Kampfgeschehen und seinen Folgen. 1991 hatten nur wenige Poolreporter Zugang zur Front, während das Pentagon die Berichte mit eigenen Aufnahmen dominierte, die den Eindruck erweckten, beim Krieg handele es sich um ein Computerspiel.

Die damals restriktive Strategie basierte auf den negativen Erfahrungen des Pentagons mit dem recht freien Medienzugang im Vietnamkrieg. Jetzt propagiert das US-Verteidigungsministerium eine Strategie offensiver Offenheit. Sie soll wohl eine Flut von Bildern und Berichten über den erwarteteten grandiosen Sieg verbreiten, könnte aber nach Befürchtung vieler Journalisten die Form einer Umarmung annehmen. Bei der offiziell „Embedding“ (Einbettung) genannten Strategie werden Journalisten Truppen über Wochen fest zugeteilt und begleiten diese Tag und Nacht im Einsatz. Ziel ist es, der gegnerischen Seite mit Informationen und Bildern vom Kriegsgeschehen aus dem Blickwinkel der eigenen Truppen zuvorzukommen, „bevor die anderen die Medien mit Falschinformationen und Verfälschungen füttern“, heißt es in den dazu erlassenen Pentagon-Richtlinien, die der taz vorliegen.

Das Pentagon setzt offenbar auf Verbrüderung zwischen Journalisten und Truppen. Denn die Korrespondenten sind nicht nur zu ihrer eigenen Sicherheit auf die sie umgebenden Soldaten angewiesen, von denen sie auch eine ABC-Schutzausrüstung erhalten. Sie sind auch in Fragen von Transport, Unterkunft und Verpflegung völlig abhängig. Sie dürften sich deshalb dreimal überlegen, ob sie kritisch über ihre Beschützer und Versorger schreiben, mit denen sie über Wochen zusammen leben, leiden, schwitzen und womöglich gar sterben werden. „Die Idee ist: Indem wir sie [die Journalisten] zu einem Teil der Einheit machen, werden sie Mitglieder des Teams“, erklärt Pressoffizier David Andersen aus dem im Hilton-Strandhotel untergebrachten Medienzentrum des US-Militärs in Kuwait laut Washington Post.

Der Andrang, „Mitglied des Teams“ zu werden, ist gewaltig und hat selbst die PR-Strategen des Pentagons überrascht. Über 660 Journalisten, darunter etwa 100 von ausländischen Medien, sind jetzt in die US-Truppen am Golf „eingebettet“. Weitere knapp 100 Journalisten begleiten die britischen Streitkräfte.

Die Regeln des Pentagons für das Embedding, die jeder Journalist unterschreiben muss, versprechen in Paragraf 6.A zunächst, dass es bei der Berichterstattung keine „Sicherheitsüberprüfung oder Zensur“ gibt. Doch die Einschränkungen folgen auf dem Fuße. Abgesehen davon, dass aus Sicherheitsgründen nicht über genauen Standort, Stärke, Pläne der Kampftruppen u. Ä. berichtet werden darf, ist es den jeweiligen Kommandeuren überlassen, wann sie eine Berichterstattung für sicherheitsrelevant halten und sie deshalb nur unter der Bedingung der Überprüfung zulassen. Diese dürften offener sein, wenn sie dem Berichterstatter vertrauen und selbst erfolgreich sind, während sie bei einem auf professionelle Distanz bedachten Journalismus und eigenen militärischen Misserfolgen wohl eher ihre Zensurmöglichkeiten nutzen werden. Damit nicht einzelne Soldaten ihre womöglich kritische Sicht der Dinge den Journalisten ungefiltert diktieren, müssen alle Gespräche mit Soldaten aufgezeichnet werden. Und damit nicht eine Familie live am heimischen Fernsehen dem Tod ihres Angehörigen mit ansieht, bevor sie von den Militärs informiert ist, dürfen Aufnahmen mit identifizierbaren Toten und Verwundeten erst mit 72-stündiger Verspätung verbreitetet werden.

Voraussetzung für das Embedding bei den Kampftruppen ist die Teilnahme an einem vom Militär durchgeführten Sicherheitstraining. In den vergangenen Wochen wurden deshalb hunderte Journalisten in einwöchigen Trainings vom US-Militär auf Stützpunkten in den USA auf ihren Einsatz vorbereitet. Wer nur ein Sicherheitstraining bei der Bundeswehr in Hammelburg oder bei britischen Privatfirmen in Südengland absolvierte, darf wie die zwei von der ARD und dem ZDF entsandten „Embeds“ nur von US-Kriegsschiffen im Persischen Golf fern der Kampfhandlungen berichten.

Kann überhaupt noch objektiv und unparteiisch berichtet werden, wenn Journalisten so mit einer Seite verbandelt sind? „Neutralität ist nur möglich, wenn die Medien auch Journalisten auf der anderen Seite haben“, meint Henriette Löwisch, Chefredakteurin von AFP Deutschland. AFP setze insgesamt 75 Journalisten zur Berichterstattung über den Irakkrieg ein, davon seien 19 „eingebettet“, 9 mehr als ursprünglich beantragt. Die anderen Kollegen seien in der gesamten Region stationiert, 7 zurzeit in Bagdad.

Löwisch wertet das Embedding als „propagandistischen Schachzug des Pentagons“, der sehr stark auf Fernsehbilder ausgerichtet sei. Die Strategie biete die Gelegenheit, den Bildern von Opfern Bilder von „rechtschaffenen US-Soldaten“ entgegegenzusetzen. Sie geht aber davon aus, dass, wenn etwas aus US-Sicht schief laufe, auch die Kontrollmöglichkeiten des Militärs an ihre Grenzen kommen werden. „Es dürfte sich kaum verhindern lassen, dass Journalisten dann per Satellitentelefon über die wahre Lage berichten.“