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Autonomiebehörde weiter ohne Regierung

Der designierte Ministerpräsident Ahmed Kureia bietet Arafat seinen Rücktritt an. Parlament verweigert Vertrauen

RAMALLAH dpa ■ Nur zwei Tage nach seiner Vereidigung hat der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia am Donnerstag dem Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat seinen Rücktritt angeboten. Nach zunächst unbestätigten Berichten aus Ramallah im Westjordanland reagierte Kureia damit auf die Weigerung des palästinensischen Parlaments, seinem aus acht Mitgliedern bestehenden Notstandskabinett das Vertrauen auszusprechen.

Der 66-Jährige habe Arafat „zu verstehen gegeben, dass er nicht Ministerpräsident ohne ein Vertrauensvotum des Parlaments sein will“, sagte Sajeb Erekat, Minister in Kureias Notstandskabinett. Gleichzeitig betonte er jedoch, er könne das Rücktrittsersuchen Kureias weder bestätigen noch dementieren.

Arafat-Berater Nabil Abu Rudeineh bestritt zunächst, dass Kureia sein Amt zur Verfügung stellen wolle. Der von Kureia als Innen- und Sicherheitsminister vorgeschlagene Polizeigeneral Nasser Jussef weigerte sich am Donnerstag, das Amt ohne ein Vertrauensvotum des Parlaments anzutreten. Arafat, der seit mehr als einer Woche unter einer schweren Magen- und Darminfektion leidet, hatte Jussef entlassen wollen, weil dieser als Innenminister Vollmachten über die Sicherheitskräfte forderte, die Arafat offenbar nicht abgeben möchte.

Während die seit Tagen andauernde politische Krise in Ramallah einem neuen Höhepunkt zusteuerte, wurde im Westjordanland am Donnerstag ein neuer Selbstmordanschlag verübt. Vor einem Amt des israelischen Militärkommandos bei Tulkarem sprengte sich ein palästinensischer Selbstmordattentäter in die Luft. Zwei Soldaten und ein weiterer Palästinenser wurden dabei verletzt.

Das Rücktrittsangebot Kureias folgte der bisher schwersten Verfassungskrise innerhalb der Autonomiebehörde. Kureias ursprünglich aus acht Ministern bestehendes Notstandskabinett war am Dienstag von Arafat vereidigt worden, der am Sonntag überraschend den Ausnahmezustand über die Autonomiegebiete verhängt hatte. Zwei Minister, neben Jussef noch Dschauad al-Tibi, blieben jedoch der Vereidigung fern, weil sie auf einem Votum des Parlaments bestanden. Die daraufhin für Donnerstag angesetzte Sitzung kam jedoch nicht zustande, weil zahlreiche Abgeordnete sich weigerten, über die von Arafat ernannte Regierung abzustimmen.

Sie forderten den erkrankten PLO-Führer auf, den Ausnahmezustand aufzuheben oder sich mit dem Notstandskabinett nach Ablauf des auf 30 Tage begrenzten Ausnahmezustands erneut dem Parlament zu stellen. Arafat, der während des Ausnahmezustands zunächst wieder alle Macht in den Palästinensergebieten in Händen hält, habe dies abgelehnt. „Das Parlament hat damit Arafat bewiesen, dass er nicht ohne parlamentarische Zustimmung regieren kann“, sagte der Abgeordnete Asmi Schuebi. Die Verhängung des Ausnahmezustands hatte Arafat mit möglichen israelischen Aktionen nach einem blutigen palästinensischen Selbstmordanschlag in der israelischen Stadt Haifa begründet, bei dem am Samstag 19 Israelis und die Attentäterin getötet worden waren.

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