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Wer Gen sät, wird Zufall ernten

Naturschützer warnen davor, grüne Gentechnik als Umweltgefahr zu unterschätzen. Selbst Wissenschaftler können die Auswirkungen nicht voraussagen

VON MATTHIAS URBACH

Gentech gefährdet die Artenvielfalt, und Gentech hat mehr mit Zufall als mit Wissenschaft zu tun. Vergangene Woche verabschiedeten der 27. Deutschen Naturschutztag ein Memorandum zur Gentechnik, um endlich den Naturschutz stärker ins Blickfeld der Debatte zu rücken. Bisher rede man vor allem über Risiken für die Gesundheit oder die Ökolandwirtschaft, klagt Andreas Krug, Abteilungsleiter im Bundesamt für Naturschutz (BfN). „Es muss wesentlich mehr über die Folgen für den Naturhaushalt und die biologische Vielfalt gesprochen werden.“

Die Naturschützer sind mit dieser Ansicht nicht allein. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen (Umweltrat) hält in seinem jüngsten Jahresgutachten die gesundheitlichen Risiken für „eher gering“. Hingegen lägen bezüglich der Umweltrisiken „große Wissenslücken“ vor. Hinweise gibt es indes genug. Klassisch ist das Beispiel des Bt-Maises von Novartis: Er ist ausgestattet mit einem Gen des Bacillus thuringiensis (Bt), das ein natürliches Insektizid produziert. Damit will Novartis dem Maiszünsler, einer gefräßigen Schmetterlingslarve, beikommen, der für 7 Prozent der jährlichen Ernteausfälle verantwortlich sein soll.

Doch der Mais schadet offenbar auch anderen Schmetterlinge. Im Laborversuch werden zudem überraschende Effekte auf Nützlinge wie die Raupen aussaugende Florfliege offenbar. „In vielen solcher Fälle haben wir einen Anfangsverdacht, dem wir nachgehen müssen“, sagt Krug. „Verdrängung oder Giftwirkung auf Nichtzielorganismen – solche Risiken sind da, aber wir können sie noch nicht abschätzen.“ Obwohl der Umweltrat seit Jahren auf diese Probleme hinweist, ist die Forschung nicht so recht in Gang gekommen. „Was wir bisher haben, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisiert Krug.

Es lohnt sich, die neuen Gengewächse genauer unter die Lupe zu nehmen, bevor man sie aussetzt. Leichtfertig eingeführte Pflanzen, die besonders gut gedeihen, bescherten schon früher großen Ärger. So wurde etwa vor einem Jahrhundert die aus Nordamerika stammende Späte Traubenkirsche systematisch in Norddeutschland ausgesetzt. Sie sollte den Humus der sandigen Waldböden verbessern. Doch die genügsame Traubenkirsche breitete sich rasant aus. Heute gilt sie als Unkraut, Förster nennen sie „Waldpest“.

Drastischer noch das Beispiel ausgesetzter Tiere wie der Aga-Kröte in Australien. 1935 führten Zuckerrohrbauern 110 Tiere aus Venezuela ein, um ihre Plantagen von Zuckerrohrkäfern zu befreien. Doch an den Käfern waren die Aga-Kröten nicht interessiert, stattdessen fraßen die hochgiftigen Kröten alles andere und breiteten sich in ganz Australien aus.

Auch der Bt-Mais wurde in gutem Glauben entwickelt, wird Bt-Toxin doch selbst im Ökolandbau verwandt. Doch wenn eine Pflanze ständig Bt bilde, habe das eben andere Konsequenzen als eine einmalige Behandlung eines Feldes mit dem Insektizid, warnt die Züricher Biologin Angelika Hilbeck. In ihren Laborstudien stellte sie fest, dass das Bt offenbar giftiger auf die Florfliegen wirkt, wenn sie es auf dem Umweg über die Maiszünsler fressen, als wenn sie es direkt verabreicht bekommen. „Es kommt zu einer deutlichen Wirkungssteigerung, einem Nahrungsketteneffekt“, sagt Hilbeck.

Über Nahrungsketten in und um den Acker ist aber bislang nur wenig bekannt. Klar ist aber auch, dass nicht alle Laborbefunde auch in der Natur ins Gewicht fallen. Inge Broer von der Uni Rostock untersuchte Kartoffeln, die gegen die Knollennassfäule ein Bakteriengift produzieren. Im Labor stellte sie Schäden auch an nützlichen Bakterien fest, konnte das aber im Feldversuch nicht mehr bestätigen.

Nun wird der Bt-Mais als Kulturpflanze sicher nicht direkt zum Problem, indirekt aber schon: „Das Bt-Gen hat sich in den USA in die Gene der Wildsonnenblumen eingebaut“, erzählt Ruth Braun, Gentechnikexpertin vom Freiburger Öko-Institut. „Und die haben davon einen Vorteil gegenüber anderen Wildpflanzen.“

Doch nicht nur die Eigenschaften, die eine Gentechpflanze haben soll, machen Probleme, sondern auch die, die sie nicht haben soll. Weil gentechnische Manipulation ein sehr grobes Verfahren ist, weiß man nie genau, was herauskommt. Im Schrotschussverfahren etwa wird das Erbgut einfach auf winzigen Goldkügelchen ins Blatt geschossen – ob es funktioniert, wird daran abgelesen, ob die Pflanze gedeiht und die gewünschte Eigenschaft zeigt. Bei Bt-Pflanzen komme es dabei oft zu einem höheren Gehalt an dem Holzstoff Lignin, so Braun, „und keiner weiß, warum“. Dadurch aber verändern sich Abbaubarkeit und Bekömmlichkeit für Pflanzenfresser.

Beweise für schädigende Wirkungen liegen derzeit allerdings noch nicht vor. Allerdings wachsen die Risiken mit der Schwere der Veränderungen. Genforscher versuchen, Pflanzen in hohem Maße gegen versalzene Böden und Dürre resistent zu machen. Erste Pflanzen werden bereits entwickelt. Das UN-Entwicklungsprogramm fordert bereits seit 2001 ein höheren Forschungsaufwand für solche Pflanzen, um die Unterernährung zu bekämpfen. Gerade in Afrika, aber auch in Teilen Asiens wird Wassermangel der limitierende Faktor für die Landwirtschaft sein. Eigenschaften wie Resistenz gegen Dürre, warnte der Umweltrat schon vor Jahren, würden sich in Wildpflanzen „erfolgreich ausbreiten“. Die Pflanzen würden die Flora heftig durcheinander wirbeln.

Aus Sicht der Naturschützer ist freilich schon der mit der Gentechnik verbundene Industrialisierungsschub ein Problem. Sie reden deshalb auch lieber von „Agrotechnik“, als den freundlichen Begriff „grüne Gentechnik“ zu benutzen. Industrialisierte Landwirtschaft zieht nach Ansicht von Andreas Krug „ausgeräumte Landschaften, eingeschränkte Fruchtfolge, fehlende Ackerrandstreifen und weniger Begleitpflanzen auf dem Acker“ nach sich. Und bedroht damit ebenfalls die Artenvielfalt.

In der politischen Debatte ist das noch nicht so richtig angekommen. Bisher existiert nicht einmal eine rechtliche Definition dessen, was genau eigentlich als „ökologischer Schaden“ gilt.

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