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Otto Schilys schöne biometrische Welt

Noch rechtzeitig vor der Neuwahl beschert der Bundesinnenminister seinem Volk den digitalen Pass. Für 59 Euro verspricht Schily dem Bürger mehr Sicherheit im Kampf gegen den Terror – Kritiker werfen ihm vor, eine gefährliche Illusion zu verkaufen

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Viele Fernreisende werden sich auch in Zukunft noch an einen gewissen Otto Schily erinnern – selbst wenn der demnächst nicht mehr Innenminister sein sollte. Denn ihm verdanken sie, dass ein Reisepass vom 1. November an 59 statt bisher 26 Euro kosten wird. Der Bürger zahlt drauf für etwas, das Schily als „großen Fortschritt“ für die Sicherheit preist: die Speicherung biometrischer Daten in Reisepapieren.

Herkömmliche Pässe bleiben zwar vorerst gültig, aber die Meldestellen geben ab November nur noch „ePässe“ aus – Pässe mit einem Computerchip samt digitalisiertem Foto. Ab März 2007 sollen auf dem Chip zusätzlich zwei Fingerabdrücke gespeichert werden. Bis 2008 will der Bund Hightech-Lesegeräte an den Grenzen aufstellen, um automatisch vergleichen zu können, ob die leibhaftige Person zu den digitalen Merkmalen passt.

Die Innenminister der EU – allen voran der deutsche – haben jedoch längst viel größere Pläne, daran ließ Schily gestern keinen Zweifel: Im Namen des Antiterrorkampfes sei eine „umfassende biometrische Strategie“ nötig. Der Personalausweis dürfte also bald wie der Pass zum „eDokument“ mutieren. Langfristig soll die digitale Technik dann auch für einen einfacheren Abgleich von Visa-Anträgen im gesamten Schengen-Raum genutzt werden – und für die Fahndung nach Straftätern. Selbstverständlich, so Schily, müssten für diese Speicherung europaweite Dateien geschaffen werden.

Kritiker der biometrischen Aufrüstung wie Bundesdatenschützer Peter Schaar dürften es mit Gruseln hören, selbst wenn Schily versprach, die digitalen Passdaten der Deutschen würden nirgendwo gespeichert.

Ihr Eindruck: Schily habe das brisante Projekt auf internationaler Ebene ausgefuchst, um Kritiker im eigenen Land vor vollendete Tatsachen zu stellen. Kein Wunder, dass Schily gestern von einem Parlamentsvorbehalt für die Reform nichts mehr wissen wollte. Die Entscheidung sei „längst“ auf europäischer Ebene gefallen: „Ich weiß gar nicht, wo da jetzt noch Einwände herkommen sollten.“ Außerdem werde durch die neue Technik die Passfälschung „unmöglich gemacht oder zumindest erschwert“.

Datenschützer sehen das anders. Schaar und seine Länderkollegen forderten gestern, den Pass vorerst zu stoppen und frühestens – wie von der EU vorgegeben – 2006 zu starten. Denn bisher sei die „technische und organisatorische Sicherheit“ nicht garantiert. Schaar hält den „ePass“ für eine riskante „Sicherheitsillusion“: Denn Kriminelle könnten sich mit falscher Identität einen „scheinbar besonders sicheren“ Ausweis ertricksen. Zudem seien gefälschte deutsche Pässe zuletzt kein großes Sicherheitsproblem gewesen.

Schily hielt dem gestern entgegen, Terroristen hätten sehr wohl von den Sicherheitslücken profitiert. So sei der mutmaßliche 21. Attentäter vom 11. September 2001 mit gefälschtem französischem Pass in die USA gereist. Was er nicht sagte: Anführer Mohammed Atta kam mit korrekten Papieren ins Land, bevor er seinen Flug ins World Trade Center antrat.

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