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Verfassungsschutz spickte CDU

Berliner Verfassungsschutz bediente CDU-Politiker mit Geheimmaterial gegen unliebsame Journalisten Mitarbeit in der taz schuf „Eingangsakte“ beim VS / Interner VS-Vermerk sollte verheimlicht werden  ■  Aus Berlin Till Meyer

Berlin (taz) - Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz hat offenbar hochrangige CDU-Politiker mit Geheimmaterial versorgt, damit diese gegen unliebsame Journalisten vorgehen können. Das kam in der gestrigen Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Komplex Journalistenbespitzelung durch das Amt ans Tageslicht. Geladen war der ehemalige taz- und heutige „Zeit„- Redakteur Michael Sontheimer.

Sontheimer wartete im Ausschuß mit Brisantem auf: Er präsentierte dem Ausschuß einen VfS-Vermerk, der ihm offenbar aus dem Landesamt Anfang Januar zugespielt wurde. Hintergrund: 1986 hatte Michael Sontheimer in der 'Zeit‘ unter dem Titel Das ist der Berliner Sumpf eine Foto -Galerie abgebildet, die die Spitzen der Berliner CDU, darunter Innensenator Wilhelm Kewenig, neben Figuren der Berliner Unterwelt wie dem Bordellbesitzer Otto Schwanz zeigt. Kewenig strengte daraufhin eine Schadensersatzklage gegen die 'Zeit‘ an, den die Zeitung verlor. Für Stimmung gegen Sontheimer sorgte unterdessen der CDU -Fraktionsvorsitzende Dankwart Buwitt, der in einem Rundfunk -Interview Sontheimer unter anderem als „stadtbekannten Hausbesetzer“ und „Straftäter“ diffamierte. Schon damals mutmaßte Sontheimer, daß diese Interna, die noch nie anderweitig veröffentlicht worden waren, nur aus dem Arsenal des Verfassungsschutzes stammen können.

Mit dem jetzt präsentierten amtlichen Vermerk, den der Ausschußvorsitzende gestern als echt anerkannte, wird diese Mutmaßung zur Gewißheit. Ein Beamter hatte darin folgendes festgehalten: „Aus aktuellem Anlaß weise ich vorsorglich darauf hin, daß unter Umständen in der Vergangenheit seinerzeit hier über Sontheimer vorliegende Erkenntnisse mündlich an Dritte weitergegeben worden sein könnten. Nach meiner Erinnerung bat mich schätzungsweise im Jahre 1986 ein Vorgesetzter auf Referatsebene, alle Sontheimer betreffenden Aktenstücke an ihn zu leiten (...). Auf eine entsprechende Frage erklärte der Vorgesetzte mir damals, das Auskunftsbegehren stände im Zusammenhang mit Äußerungen Sontheimers über Herrn Prof. Dr. Kewenig in einem Artikel der Wochenzeitung 'Die Zeit‘.“

Die Akte Sontheimer muß Gewicht gehabt haben, denn Sontheimer wurde seit Januar 1980 beim VfS geführt. Anlaß für seine Speicherung in Nadis war seine journalistische Tätigkeit bei der taz. Aber offensichtlich das nicht allein, denn im Ausschuß kam zudem zur Sprache, daß in die Akte Sontheimer auch „frühere Beobachtungsergebnisse“ mit eingeflossen sind. Welche das waren, ist unklar. Nachdem die SPD-Vertreter in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im April vergangenen Jahres Auskunft darüber begehrten, in welcher Weise die taz oder einzelne Journalisten bespitzelt wurden und dabei die Akte Sontheimer anforderten, erklärte der Berliner VfS-Chef Wagner, er wisse nicht, ob so eine Akte überhaupt noch existiere.

In einer späteren Sitzung im Mai sagte Wagner die Vorlage der Akte noch zu, um dann in einer weiteren PKK-Sitzung zu erklären, die Akte sei bereits im April 1988 vernichtet worden. Mit diesem Manöver sollte offenbar verhindert werden, das der gestern bekannt gewordene Vermerk der PKK bekannt wird.

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