: Gift und Galle ins Metalsüppchen
■ Death Metal-Duell: Stehlen Immortal den humorlosen Morbid Angel die Show?
Live fast, die young. Auf kaum eine andere Musikform läßt sich diese dümmliche Rock'n'Roll-Devise so passend anwenden, wie auf das Genre Death Metal. In all seiner Heftigkeit und Massivität war beim Befreiungsschrei im Lande Metall naturgegeben gerade die inflationär unsubtile Wiederholung von Akustik und Ästhetik die Garantie für ein Ausbluten, das sich nahezu in der Geschwindigkeit der Musik vollzog. Morbid Angel allen voran.
Der einzige Grund, am kommenden Mittwoch abend dennoch einen Blick ins Docks zu werfen, liegt im Vorprogramm. Mit Fauch, Gift und Galle und jenseits von Sinn und Physik jagt eine Gruppe geschminkter Norweger durch zehn Alexanderschlachten auf 2 000 Umdrehungen. Ist das noch Musik? fragt sich nicht nur der ignorante Hi-Fi-Spießer, auch kulturell aufgeschlossene Mitmenschen dürfen dem ×uvre von Immortal fassungslos gegenüberstehen.
Über eine halbe Stunde hält das Quartett so konsequent alle Instrumente an ihrer Leistungsgrenze, daß die Geschwindigkeit in Ruhe übergeht und der hemmungslose Grind zum sanft auf- und absteigenden Rauschen gerinnt. Auf diesem himmlischen Fegefeuer, diesem apokalyptischen Kuschelbett geifert eine heisere Stimme nicht Wiederzugebendes. Das ist intensiv, das ist wahrhaftig groß – und ein eigentlich respektables Schlußwort.
Da aber leider nur wenige den rechten Moment zum Aufhören erkennen, wird nach diesem schwarzen Gebet noch eine Band den Saal beschallen. Auch Morbid Angel sagten einst: „so ist es“, doch seit der gebieterischen Kraft von Altars Of Madness verkamen alle weiteren Versuche immer mehr zum „wie schon gesagt“. Mittlerweile wurden die unverrückbaren Satanisten, denen ein diffuser Hang zum Faschismus nachgesagt wird, als eine der ersten Death Metal-Bands von einer Industrie-Plattenfirma unter Vertrag genommen.
Dort kochen sie, gebieterisch und humorlos, ihr betont brutales Metalsüppchen wieder und wieder auf und fügen – oh Schmerz – als einzig neue Zutat gniedelige Gitarrensoli bei. Daß solches, im Namen des Pentagramms, tatsächlich niemanden mehr interessiert, ist nur eine Frage der Zeit.
Holger in't Veld Mi., 27.9., 20 Uhr, Docks
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