■ Amtsgericht
: Biedermann und die Anzeiger

Ein Blick auf das Ensemble, das auf den Beginn der Verhandlung um unerlaubtes Glücksspiel wartet, und es ist eigentlich schon klar, wer hier wohl den Angeklagten geben wird: Es muß dieses Klischee von einem Zocker und Zuhälter sein, ein Enddreißiger, so braungebrannt, daß ihn nur die blonden Haare vor rassistischen Übergriffen schützen; die Sonnenbrille steckt lässig im geöffneten Hemd, das den Blick auf behaarte Brust und güldenes Geschmeide freigibt. Auch beide Handgelenke sind goldbehangen. Zu allem Überfluß wird er begleitet von einer Blondine, deren Hautton allerdings eine Nuance heller ist.

Der behäbige bierbäuchige Biedermann scheidet für die Rolle sicher aus; dagegen ist die soziale Komponente dem Vierten im Bunde auf den Leib geschneidert. Sein aufgedunsenes Gesicht spricht für eine gewisse Neigung zum Alkohol, die durchlöcherten Schuhe für chronischen Geldmangel. Wie sich im Gerichtssaal herausstellt, trägt das dunkelhäutige Pärchen im Arbeitsleben Polizeiuniformen und hat die Anzeige gegen den Biedermann aufgenommen. Der gelernte Elektroniktechniker Herbert S. soll in seiner Spielhalle Gewinne für Spiele an Automaten ausgezahlt haben, die mit der Aufschrift „Keine Auszahlung“ versehen waren.

S. streitet den Vorwurf ab. Bei seinen Automaten gebe es die Möglichkeit, einen erreichten Punktestand von 20.000 sofort in einige Freispiele umzusetzen oder sich aber per Knopfdruck eine Medaille ausspucken zu lassen; dafür steckt das Personal beim nächsten Besuch des Spielers die erforderlichen Geldmünzen in das Gerät. Eine Gewinnauszahlung finde also nicht statt. Die Anzeige verdanke S. einem alten Kunden, dem er Hausverbot erteilt hatte; dieser habe gedroht, ihm in irgendeiner Weise zu schaden.

Zweite Szene. Auftritt des arbeitslosen Zeugen Sch. Noch fast im Stehen erleichtert er sein Gewissen: Er habe sich geärgert, daß er „wegen einer Lappalie“ aus seiner Lieblingsspielhalle hinausgeworfen wurde. Als sich der Inhaber nach mehrmaligen telefonischen Bittgesuchen nicht dazu erweichen ließ, das Verbot aufzuheben, habe er einen Punkt gesucht, „um ihn am Arsch zu kriegen“. Da er dachte, die Sache mit der Medaille sei illegal, habe er ihn deswegen angezeigt. Als er später die Anzeige reumütig zurückziehen wollte, war das Verfahren schon in die Wege geleitet. Herbert S. wird ein kurzer Prozeß gemacht. Selten herrschte unter Staatsanwalt, Verteidiger und Richterin solche Einigkeit, was das Recht hier nur zulassen konnte: Freispruch für den Angeklagten. Annette Fink

wird fortgesetzt