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Der Senat als Gesetzesbrecher

■ Landesjugendring klagt vor Gericht 130 Millionen Mark für Jugendarbeit ein. Der Senat hatte sich zu dieser Summe verpflichtet, stellt sich jetzt aber taub

Der Landesjugendring will wissen, was ein Gesetz wert ist: Er klagt gegen das Land Berlin, um vor Gericht 130 Millionen Mark mehr für die Jugendarbeit herauszuschlagen. Der Hintergrund: Noch vor einem guten Jahr hatte sich Berlin einen Lorbeerkranz aufgesetzt. Als erstes Bundesland überhaupt hatte der Senat das Kinder- und Jugendhilfegesetz präzisiert: Künftig solle der Topf für offensive Bildungs- und Freizeitarbeit mit Jugendlichen 10 Prozent der Jugendhilfe betragen, gesetzlich besiegelt. Die halbe Nation klatschte, doch Berlin hält sich selbst nicht an das Gesetz.

„Es ist skandalös“, echauffiert sich Peter Bohle vom Landesjugendring, „daß Berlin die alltägliche Jugendarbeit unterfinanziert und dann populäre Sonderprogramme wie ,Jugend mit Zukunft‘ groß in Szene setzt.“ 1992 hatte das Parlament, aufgeschreckt von marodierenden Jugendgangs und sprachlosen Kids, das millionenschwere Anti-Gewalt-Programm „Jugend mit Zukunft“ verabschiedet. 300 Millionen Mark wurden für die spontane und schnelle Jugendarbeit ausgegeben. Der Feuerwehrtopf ist mittlerweile aufgebraucht. An seine Stelle hätte eine kontinuierliche Jugendförderung treten können. Die wurde zwar beschlossen, aber nicht eingehalten.

Die Rechnung ist einfach. Rund 3,3 Milliarden Mark wendet das Land quer durch den Haushalt alljährlich für die Jugendhilfe auf. Die Landesregierung will auf diese Weise helfen, Jugendliche zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu formen. Zehn Prozent dieses Jugendhilfetats, also 330 Millionen Mark, so hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, würden künftig für die offensive Arbeit mit Jugendlichen eingesetzt: für politische Bildung, Freizeit und für den internationalen Jugendaustausch.

Tatsächlich stellten Ingrid Stahmer (SPD) und die Haushälter 1996 aber nur 198 Millionen ins Berlin-Budget ein – 132 Millionen zuwenig. Ein klarer Gesetzesverstoß, meint Peter Bohl vom Landesjugendring. „Wir tun nicht mehr, als gerichtlich feststellen zu lassen, daß das Land einer Verpflichtung auch nachkommen muß, die es per Gesetz verabschiedet hat.“

Den Sprecher der Schul- und Jugendsenatorin läßt das kalt. „Wir sehen der Klage gelassen entgegen“, meint Wolfgang Zügel, „eine Selbstverpflichtung begründet noch kein subjektives Recht.“ Zügel geht davon aus, daß niemand den sogenannten Programmsatz des Landes wirklich einklagen kann. Auch eine politische Verantwortung der Jugendsenatorin sieht er nicht, weil sie um jeden Etatposten gerungen habe. „Sie hat sich dabei fast unbeliebt gemacht“, beurteilt er die Stellung Stahmers in der Senatsrunde. Nach Auskunft des Verwaltungsgerichts ist derzeit noch kein Termin für die Verhandlung abzusehen.

Der Jugendring beharrt indes auf einer qualifizierte Regelförderung. „Kinder und Jugendliche brauchen kontinuierliche Ansprechpartner“, begründet Peter Bohl das Engagement des Jugendrings. Im Osten der Stadt aber breche durch die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes ein Großteil der Jugendarbeit weg. „Wir sehen durchaus ein, daß auch die Jugend sparen muß, wenn die ganze Stadt spart.“ Aber der selbstgesetzte Anteil von zehn Prozent solle mindestens erhalten bleiben. Christian Füller

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