piwik no script img

Häuser sollen abgerissen werden

■ Charlottenburger Baustadträtin Beate Profé widerspricht Innensenat: Geräumte Häuser werden nicht für Mieter genutzt

Nach der Räumung der Häuser Marchstraße 23 und Einsteinufer 41 in Charlottenburg hat Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) erneut betont, daß er keine „rechtsfreien Räume“ dulden werde. Diese könnten in Berlin als „Hauptstadt mit zusätzlichen Aufgaben und Pflichten“ nicht hingenommen werden: „Berlin ist nicht mehr die Summe der Kieze und nicht nur für sich selbst da, sondern repräsentiert auch unseren Staat in der Weltöffentlichkeit.“ Aus der SPD kam kein Widerspruch. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, begrüßte die Räumung. PDS und Bündnisgrüne verurteilten dagegen die Räumung. Bündnis 90/Die Grünen fordern eine Sondersitzung des Innenausschusses.

taz: Was passiert mit den geräumten Hausern sowie den dazwischenliegenden Freiflächen?

Beate Profé (Bündnis 90/Die Grünen): Das ist im Moment schwer zu sagen. Von der Eigentümerin der Häuser, der Firma Henning von Harlessen & Co, liegt ein Antrag auf Abriß vor, den das Bezirksamt derzeit prüft. Es gibt darüber hinaus einen Beschluß der Bezirksverordnetenversammlung vom Juni dieses Jahres, daß das Bebauungsplanverfahren fortgesetzt werden soll. Unser Ziel ist, ein Mischgebiet aus Wohnen und Gewerbe zu schaffen und die beiden Häuser zu erhalten.

Da gibt es einen Konflikt zwischen Bezirk und Eigentümer.

Allerdings. Ich möchte gerne, daß die Häuser als Wohnhäuser erhalten bleiben. Jedoch gehören die Häuser weder dem Bezirk noch dem Senat. Das Land Berlin ist jedoch Eigentümer der Brachflächen. Ich habe mich in den vergangenen Monaten sehr dafür eingesetzt, ein Konzept zu finden, was sowohl die Bebauung der freien Grundstücke ermöglicht als auch die Wohnnutzung durch die jetzt geräumten BewohnerInnen.

Der Staatssekretär der Innenverwaltung, Kuno Böse, verteidigte die Räumung. Damit die Eigentümerin prüfen können, ob die Häuser überhaupt noch als Wohngebäude genutzt werden könnten, hätten sie geräumt werden müssen. Werden die Wohnungen denn wieder vermietet?

Ich glaube, daß die Eigentümerfirma sehr stark auf Abriß dringen wird. Abriß und eine Neubebauung waren ja bereits vom Bezirksamt genehmigt worden, die Genehmigung ist allerdings im Sommer 1995 abgelaufen, ohne daß die Firma tätig wurde. Einen neuen Antrag auf Baugenehmigung gibt es bisher nicht.

Die Berliner Linie sieht eine sofortige Anschlußnutzung vor.

Die Berliner Linie ist insofern verletzt worden, als kein abgestimmtes städtebauliches Konzept vorliegt. Die Anschlußnutzung, und das ist entscheidend, ist nicht gesichert.

Wird das Bezirksamt eine neue Abrißgenehmigung erteilen?

Eine Entscheidung steht noch nicht fest. Das Bezirksamt wird aber nicht umhinkommen, bald zu einer Klärung zu kommen. Ich kann keine Prognose abgeben, ob man es schaffen könnte, die Häuser mit rechtlichen Mitteln zu erhalten. Ich werde mich jedoch dafür einsetzen.

Innensenator Schönbohm hat Sie angegriffen, daß der Bezirk in der Vergangenheit nicht genügend tätig geworden ist.

Das ist eine Unterstellung. Ich hatte noch am Mittwoch mit den Besetzern über verschiedene problematische Themen geredet, wie zum Beispiel die Müllbeseitigung und den baulichen Zustand des Hauses. Da waren wir auf gutem Wege, befriedigende Lösungen zufinden. Ich finde es frustrierend, daß wieder einmal friedliche Kompromißlösungen mit Polizeigewalt zunichte gemacht wurden. Interview: Julia Naumann

Siehe auch Bericht Seite 26

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen