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Valium für die Reform

■ Kohls Mehrwertsteuer als Mehrheitssteuer

Typisch Kohl. Der Kanzler hat vom Urlaubsort am Wolfgangsee mit einem taktischen Befreiungsschlag in die Steuerdebatte eingegriffen – und damit die angekündigte große Steuerreform gleich zur Nullreform degradiert.

Erstens, weil des Kanzlers Ankündigung, die Mehrwertsteuer erst 1999 nach der nächsten Wahl zu erhöhen, der Reformdebatte jede Richtung verweigert. Der Kanzler hat – kurzfristig machtorientiert, wie man ihn kennt – nur die einfachste und seine einzig verbliebene Option dargestellt.

Der Pfälzer hat der Industrie schließlich nicht umsonst versprochen, von der Energiesteuer ebenso zu lassen wie von Ökosteuerreform. Einer sofortige Erhöhung der Mehrwertsteuer konnte Kohl im übrigen nicht zustimmen – die hatte er vorher ausgeschlossen.

Zweitens zerredet der Kanzler die große Steuerreform mit seinem Vorstoß, weil er für das obligatorische „Wort aus dem Urlaub“ eben nicht das schwierigere, aber entscheidendere Thema der Subventionen wählte. Die Ankündigung wirksamer Streichungen etwa für die Chemieindustrie, den Transrapid, den Kohlebergbau und für Immobilienspekulanten sind dem Kanzler offenbar schon wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag allzu riskant.

Ökonomisch gesehen geht der bequeme Befreiungsschlag damit ins Leere – eben weil Kohl wieder einmal den Weg des geringsten Widerstands bei der alten Industrie und ihren Bossen sucht. Des Chefs Signal lautet ganz schlicht: Weiter so! Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer lädt nicht zur Innovation ein und vermittelt der Wirtschaft keine Idee, wohin diese Regierung dieses Land führen will.

Eine Anhebung der Mehrwertsteuer greift jedenfalls per se nur den weniger Wohlhabenden in die Tasche, die kaufen müssen – und läßt die Wohlhabenderen relativ ungeschoren, die nicht all ihr Geld ausgeben müssen, um über die Runden zu kommen. Aber Umverteilung zu Lasten der Armen schafft keine Zukunft.

Kurz: Eine Debatte über die große Steuerreform mit einer Ankündigung zu eröffnen, die keine neue Politik verheißt, ist Valium für diese Reformdebatte. Daß sich am Standort Deutschland etwas ändern müßte, hat doch sicher auch der Kanzler schon mal gehört. Hermann-Josef Tenhagen

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