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Anwalt im Visier der Bundeswehr

■ Kajo Frings verteidigt Wehrdienstverweigerer. Jetzt muß der Berliner Anwalt selbst auf die Anklagebank

Nach den Wehrdienstverweigerern nimmt die Bundeswehr nun auch deren Anwälte ins Fadenkreuz. Auf eine Anzeige des Kreiswehrersatzamtes hin hat die Berliner Staatsanwaltschaft jetzt Klage gegen den Rechtsanwalt Kajo Frings erhoben, der als Spezialist in Wehrrechtsfragen seit vielen Jahren Kriegsdienstverweigerer vertritt. Der Vorwurf gegen ihn lautet Beihilfe zur Fahnenflucht. Frings soll einem Mandanten geraten haben, der Truppe fernzubleiben. Der Anwalt bestreitet dies. Er habe den Mandanten lediglich auf die Rechtslage und mögliche Folgen seines Tuns hingewiesen.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hat angekündigt, einen Prozeßbeobachter zu dem am 27. August beginnenden Verfahren zu entsenden. „Wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, daß hier ein sehr engagierter und kompetenter Anwalt in Wehrstrafsachen mundtot gemacht werden soll“, erklärte Ulrike Zecher von der Strafverteidiger-Vereinigung. Aber in dem Fall geht es noch um weit mehr. „Wenn solche Anklagen Schule machen, muß sich künftig jeder Anwalt nach jedem Beratungsgespräch schriftlich bestätigen lassen, daß er seinen Mandanten nicht zu strafbaren Handlungen aufgerufen hat“, sagte Frings' Rechtsanwalt, Hans-Jürgen Siehl. „Damit wird der Anwalt einem Gangster gleichgestellt“.

Die Anklage gegen Frings stützt sich auf ein Urteil des Amtsgerichts Ückermünde. Das Gericht hatte den Wehrdienstverweigerer Kai M., einen ehemaligen Mandanten von Frings, im April 1995 wegen Fahnenflucht zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Frings hatte Kai M. ein Jahr vor dem Prozeß in Berlin anwaltlich beraten. Kai M. wurde damals per Haftbefehl gesucht, weil er seit zehn Monaten nicht seinen Wehrdienst angetreten hatte. „Ich habe ihm die Rechtslage erklärt“, so Frings dazu heute.

Mit einer Aufhebung des Haftbefehls könne Kai M. nur rechnen, wenn er sich der Truppe stelle. Wenn er dies sofort tue, müsse er nicht nur die verbleibenden zwei Monate sondern den gesamten Wehrdienst ableisten. Sofern er dies nicht wolle, müsse er warten, bis seine Wehrdienstzeit Ende März 1994 zu Ende sei.

Kai M. tauchte unter. Als er dann ein Jahr später wegen Fahnenflucht in Ückermünde vor Gericht stand, erklärte er laut Urteil: Er habe sich auf Anraten seines früheren Anwalts Kajo Frings bis zum Tage seiner Entlassung aus dem Wehrdienst verborgen gehalten.

Kajo Frings macht aus seiner Abneigung gegen die Bundeswehr keinen Hehl. Er wisse aber sehr gut zwischen seiner persönlichen Auffassung und seinen beruflichen Aufgaben als Anwalt zu unterscheiden, betont er. Dem Kreiswehrersatzamt in Berlin sei er bestens bekannt, weil er mehrere hundert Wehrdienstverweigerer als Mandanten vertreten habe. „Ich gehe davon aus“, so Frings, „daß ich mit dem Verfahren eingeschüchtert werden soll.“

Diesen Vorwurf wies der stellvertretende Leiter des Berliner Kreiswehrersatzamtes, Dieter Winkler, entrüstet zurück. Der zuständige Amtsleiter habe „nur seine Pflicht getan“, indem er nach dem sorgfältigen Studium des Urteils aus Ückermünde die Anzeige gegen Kajo Frings erstattet habe. Plutonia Plarre

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