piwik no script img

Fall Dutroux wird zum Polizeiskandal

■ Der Kinderschänder war schon einmal an der Entführung dreier Jugendlicher beteiligt – und wurde wieder freigelassen

Brüssel (AP/AFP) – Immer mehr Details kommen ans Tageslicht, die das Versagen der belgischen Polizei im Fall des Kinderschänders Marc Dutroux belegen. Bereits im Dezember letzten Jahres, so schreibt die Brüsseler Zeitung De Morgen in ihrer Samstagsausgabe, sei Dutroux im Zusammenhang mit der Entführung von drei Jugendlichen festgenommen worden, die in einem seiner Häuser im südbelgischen Charleroi festgehalten worden waren. Die zwei Jungen und ein Mädchen, seien, unter Drogen gesetzt, in einem Keller von Dutroux' Haus in Jumet gefangengehalten worden.

Das Mädchen habe fliehen können und von einem Nachbarhaus aus die Polizei informiert. Die Beamten hätten die beiden Jungen schließlich befreit. Im März sei Dutroux wieder freigelassen worden, ohne daß seine Rolle bei der Entführung eingehend untersucht worden wäre, schrieb das Blatt. Damals sagte Dutroux aus, ein Freund habe die Teenager entführt, um sie für den Diebstahl eines Autos zu bestrafen.

„Wir waren überzeugt, daß die Entführung der drei nur mit einem Autodiebstahl zusammenhing“, zitierte De Morgen den Polizeichef von Charleroi, Raymond Vertessen. Nach seiner erneuten Festnahme in der letzten Woche hatte der 39jährige der Polizei gestanden, den Freund später umgebracht zu haben, da dieser sich während Dutroux' Inhaftierung nicht um die beiden achtjährigen Mädchen Julie Lejeune und Melissa Russo gekümmert habe, die in einem weiteren seiner Häuser gefangengehalten wurden. Die Mädchen, die sexuell mißbraucht und gefilmt worden waren, waren verhungert. Am Donnerstag wurden sie unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.

Wie am Samstag bekannt wurde, ist inzwischen in den Niederlanden ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen worden. Der 74jährige soll an der Entführung der beiden vermißten belgischen jungen Frauen An Marchal (17) und Eefje Lambrecks (19) beteiligt gewesen sein. Die beiden wurden ebenfalls von Dutroux entführt. Die Polizei ermittelt, ob sie inzwischen als Prostituierte ins Ausland verkauft wurden. In der Amsterdamer Wohnung des Verdächtigen waren zwar Schußwaffen, aber keine Hinweise auf den Verbleib der belgischen Teenager gefunden worden.

Bei der Durchsuchung der Häuser Dutroux' wurden unterdessen 300 bis 400 Pornovideos gefunden, die Dutroux selbst beim Mißbrauch von Kindern zeigen. Die Staatsanwaltschaft kündigte jetzt an, sämtliche Personen identifizieren zu lassen, die auf den Videos zu sehen sind. Unterdessen hat der Vater von Melissa, Gino Russo, die strenge Überwachung Dutroux' gefordert, um einen möglichen Selbstmord zu verhindern. „Ich will nicht in drei Tagen hören, daß er sich umgebracht hat“, sagte Gino Russo am Freitag abend im belgischen Fernsehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen