: Der „kritische Dialog“ im Kreuzfeuer der Kritik
■ Außenminister Kinkel will Aussagen Bani Sadrs auf Konsequenzen für die Beziehungen zum Iran überprüfen. SPD und Grüne fordern Schritte gegen Teheran
Berlin (dpa/taz) – Der Berliner Mykonos-Prozeß belastet zunehmend das Verhältnis Bonns zu Iran. Bundesaußenminister Klaus Kinkel kündigte an, die Zeugenaussage des früheren iranischen Staatspräsidenten Abol Hassan Bani Sadr genau zu prüfen und dann Folgerungen zu ziehen. Der SPD-Innenpolitiker Wilfried Penner kritisierte den „kritischen Dialog“ mit Teheran. Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Kerstin Müller, verlangte eine Aussetzung der Wirtschaftsbeziehungen zum Iran, bis das Verfahren abgeschlossen sei. Bani Sadr hatte vor dem Berliner Kammergericht die iranische Staatsführung für den Mordanschlag auf vier kurdisch-iranische Oppositionelle im Jahre 1992 verantwortlich gemacht.
Kinkel sagte im Radio, er werde sich die Aussagen Bani Sadrs „sehr genau ansehen“. Danach werde man bewerten müssen, „ob daraus Folgerungen zu ziehen sind oder nicht“. Der Minister wandte sich gegen Vorverurteilungen. „Natürlich ist es etwas, was für die Gestaltungen unserer Beziehungen zum Iran von Bedeutung sein muß“, räumte Kinkel aber ein.
Für den Fall, daß sich die Aussage Bani Sadrs bestätigen sollte, hat der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission, Penner, gefordert, die Beziehungen zu Iran abzubrechen. Die Politik des „kritischen Dialogs“ habe einen schweren Stoß erlitten, so Penner. Wenn die Vorwürfe Bani Sadrs zuträfen, könne man mit dem iranischen Regime keine diplomatischen Beziehungen mehr unterhalten.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kerstin Müller, sagte gegenüber der taz, die wirtschaftlichen Beziehungen müßten von der Einhaltung der Menschenrechte abhängig gemacht werden. „Ein einseitiger Bonner Boykott wird das Regime in Teheran aber nicht jucken.“ Wenn Sanktionen beschlossen würden, „dann müssen sie von der Europäischen Union gemeinsam umgesetzt werden“. Der „kritische Dialog“ sei aber nie kritisch gewesen, sagte Müller. Zuvor hatte der Grünen-Abgeordnete Helmut Lippelt verlangt, den Dialog mit Iran abzubrechen.
Bani Sadr forderte die Bundesregierung auf, Iran keine Kredite mehr zu gewähren und die Kontakte zwischen Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer und iranischen Regierungsstellen offenzulegen. Geheimdienstliche Verhandlungen seien der Boden für Terrorismus.
Wegen des Mykonos-Attentats müssen sich seit Oktober 1993 ein Iraner und vier Libanesen in Berlin vor Gericht verantworten. Der iranische Geheimdienst wird in der Anklageschrift als Auftraggeber für den Mord genannt.
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