piwik no script img

Iran beklagt vergiftete Atmosphäre

■ Nachdem der ehemalige iranische Staatspräsident Bani Sadr im "Mykonos"-Prozeß die iranische Regierung beschuldigte, warnt Teheran nun vor einer Belastung des deutsch-iranischen Verhältnisses

Berlin/Dubai (AP/dpa) – Nach der Aussage des iranischen Expräsidenten Abol Hassan Bani Sadr im Berliner „Mykonos“-Prozeß hat Teheran vor einer Verschlechterung der Beziehungen gewarnt. Die amtliche englischsprachige Zeitung Iran News, Sprachrohr des Außenministeriums, schrieb gestern, die deutsche Justiz schaffe eine „vergiftete Atmosphäre“ und mache Stimmung gegen Iran. Der Prozeß werde zu einer Barriere im Verhältnis zwischen beiden Staaten. Die freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland würden nicht bedingungslos fortgesetzt werden.

„Die Tatsache, daß die iranische Öffentlichkeit Deutschland als befreundetes und kooperatives Land betrachtet, ist ein Segen und sollte von den deutschen Behörden geschätzt werden“, hieß es. Die Zeitung zitierte Außenminister Ali Akbar Welajati mit den Worten: „Was auch immer Bani Sadr gegen den Iran gesagt hat, es ist falsch. Seine Unglaubwürdigkeit ist bekannt und keiner wird ihm am Ende glauben.“

Bani Sadr hatte als Zeuge im Berliner „Mykonos“-Prozeß schwere Anschuldigungen gegen den iranischen Staatschef Ali Akbar Haschemi Rafsandschani und den religiösen Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei erhoben. Er hatte ausgesagt, daß Chamenei eine „schriftliche Bestätigung“ für das Attentat erteilt habe. Rafsandschani sei nach seinen Informationen an der Ausarbeitung des Plans beteiligt gewesen.

Derzeit prüft die Bundesanwaltschaft, ob ein Ermittlungsverfahren gegen Rafsandschani und Chamenei eingeleitet wird. „Zunächst muß die Aussage Bani Sadrs ausreichend gewürdigt werden“, sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Rolf Hannich. Es müsse untersucht werden, ob „genügend zureichende tatsächliche“ Anhaltspunkte vorlägen und ein Verfahren überhaupt möglich sei.

Vor dem Berliner Kammergericht müssen sich seit Oktober 1993 ein Iraner und vier Libanesen wegen Mordes an vier iranisch-kurdischen Oppositionspolitikern verantworten. Die Vernehmung Bani Sadrs soll am fünften September fortgesetzt werden. Am Wochenende hatten Politiker der SPD und des Bündnis 90/Die Grünen gefordert, die diplomatischen Beziehungen zum Iran abzubrechen, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Ulrich Irmer betonte gestern, daß es keine Vorverurteilung in einem laufenden Prozeß geben dürfe. Dies gelte auch für den sogenannten kritischen Dialog mit dem Iran, den die Bundesregierung im Einklang mit der Europäischen Union verfolge. dr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen