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DIW: Haushaltssperre „kontraproduktiv“

■ Wirtschaftsforscher, Bündnis90/Grüne und PDS kritisieren Stopp der Ausgaben. Widerspruch auch aus CDU-Kreisen

Nach der Haushaltssperre muß Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) Kritik von allen Seiten einstecken. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnet den Schritt als „kontraproduktiv“ für die Konjunktur. Die Bündnisgrünen halten die Senatorin für „finanzpolitisch gescheitert“. Auch der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Liepelt meldete Widerspruch an. Er fordert, die „Streicharie“ zugunsten einer „vernünftigen Konsolidierungspolitik“ zu beenden.

„Die Haushaltssperre ist unumgänglich“, sagte dagegen SPD-Finanzsprecher Klaus Wowereit. Nach der neuesten Schätzung fehlen im Landeshaushalt 1996 rund 2,4 Milliarden Mark. Wegen der schlechten Wirtschaftsentwicklung kommen mindestens 500 Millionen Mark weniger Steuern herein. Gleichzeitig haben sich die Sozialausgaben erhöht, und geplante Einsparungen hat der Senat nicht in vorgesehenem Umfang verwirklicht. Alle Verwaltungen sollen die Ausfälle jetzt durch pauschale Ausgabenkürzungen ausgleichen, ordnete Fugmann-Heesing an.

Haushaltsexperte Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung warnte gestern davor, die Ausgaben zu reduzieren. Geringere Investitionen würden die ohnehin miese Konjunktur weiter abwürgen. Vesper plädierte dafür, die Landesausgaben „weitgehend im geplanten Ausmaß“ zu tätigen. Die „bittere Konsequenz“ sei dann zwar eine höhere Verschuldung des Landes. Aber das koste wegen der zur Zeit niedrigen Kreditzinsen weniger als die Finanzierung der galoppierenden Arbeitslosigkeit, die durch die staatlichen Sparmaßnahmen noch weiter ansteigen werde.

Die bündnisgrüne Finanzsprecherin Michaele Schreyer bezeichnete die zweite Haushaltssperre in diesem Jahr als „für die Bundesrepublik einmaligen Offenbarungseid verfehlter Finanzpolitik“. Die Finanzrisiken seien bereits während der Haushaltsverhandlungen 1996 bekannt gewesen, jedoch ignoriert worden. Besonders die rechtzeitige Erhöhung der Gewerbesteuer für Unternehmen, die etwa 300 Millionen Mark jährlich in die Kassen bringen würde, habe man verpaßt. SPD-Finanzsprecher Wowereit kontert: Die auch von seiner Partei geforderte Steuererhöhung sei am Koalitionspartner CDU gescheitert. Wowereit kündigte aber an, daß er die Gewerbesteuererhöhung für 1997 wieder auf die Tagesordnung setzen werde. Die CDU plädiert hingegen für 1998 als frühesten Termin. Auch der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf forderte die umgehende Anhebung der Gewerbesteuer und betonte, die Finanzsenatorin stehe vor dem „Scherbenhaufen ihrer technokratischen Kürzungspolitik“.

Michaele Schreyer stellte die Investitionen in den dritten Bauabschnitt der Messe am Funkturm aufs neue in Frage. „Die Kosten fallen dem Senat im nächsten Jahr auf die Füße“, so Schreyer. Demgegenüber kündigte Fugmann- Heesing an, „sämtliche Ausgaben für investive Baumaßnahmen, darunter die Projekte für den Ausbau der Hauptstadt im zentralen Bereich und die Wohnungsbauförderung“, von den Kürzungen auszunehmen. Verschont werden auch die Verwaltungsreform und der ABM-Bereich. Hannes Koch

siehe Seiten 1 und 4

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