: Eine Stadt gegen Umweltschützer
■ Streit um Deichschutz: Varel soll gegen den BUND demonstrieren / Fackeln werden gestellt
Varel. Wo hat es so etwas schon einmal gegeben? Eine Stadt ruft ihre BürgerInnen zur Demonstration auf. Sie spendet sogar die Fackeln (3.000 Stück a einsfünfzig) und organisiert, unterstüzt von Polizei und Rotem Kreuz, eine Großdemo. Heute zwischen 21 und 22 Uhr soll sich eine Lichter-Menschenkette auf dem rund 13 Kilometer langen Deich zwischen Wilhelmshaven und Varel formieren. Ziel der Attacke ist der Landesverband des Bund Umwelt und Naturschutz Niedersachsen (BUND). Der hatte nämlich, unterstützt vom World Wide Fund for Nature (WWF), gegen eine Deichbaumaßnahme geklagt, weil im Planfeststellungsbeschluß umweltverträgliche Maßnahmen vor dem Deich nicht zum Zuge kamen. Laut BUND verstoßen die genehmigten Baumaßnahmen gegen herrschendes Naturschutzgesetz und würden, da hinter dem Deich angesiedelt, langfristig 49 Hektar – 13 Prozent der gesamten Vorlandfläche des westlichen Jadebusens, Teil des Weltnaturerbes Wattenmeer – zerstören.
„Wir können das Wattenmeer nicht verrücken, aber wir können die Deiche so bauen, daß das Wattenmeer geschützt bleibt“, fordert Holger Wesemüller vom WWF. Das Verwaltungsgericht hatte das ähnlich gesehen und im Juni einen Baustopp verhängt. Allerdings dürfen Maßnahmen getroffen werden, um den Deich winterfest zu machen. Und das passiert auch. Trotzdem sieht die Stadt die Sicherheit ihrer BürgerInnen gefährdet: „Wir haben die Planungen befürwortet und stehen dazu. Die Interessen unserer Bürger haben für uns Priorität“, sagt der stellvertretende Vareler Stadtdirektor Hans Fabian.
Sowohl der WWF als auch die Landesregierung appellierten inzwischen an die Vernunft der Verantwortlichen: „Es besteht keine Gefahr für die Menschen an der Küste“, sagte gestern die Umweltministerin Monika Griefahn in Hannover.
Hintergrund der Vareler Kam-pagne ist die Beschwerde der Bezirksregierung Weser-Ems gegen das Urteil. Der soll nun durch die Demonstration Gewicht verliehen werden. „Das Spiel mit der Angst der Menschen ist unverantwortlich“, so Holger Wesemüller. „Statt Emotionen zu schüren, sollte die Vernunft eine Rolle spielen. Wir wollen keine Eskalation der Lage, aber Recht soll Recht bleiben. Und auch der Natur sollte ihr Recht zugestanden werden.“ Die Lösung, den Deich auf der Innenseite zu schützen, sei laut mehreren Gutachten ebenso sicher wie naturverträglich. Allerdings ist diese Variante teuer und stößt bei den unmittelbaren DeichanwohnerInnen auf wenig Gegenliebe. TdJ
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