: Kurdenpolitik „nicht energisch genug“
■ Die US-Regierung rätselt noch, welche Akteure und Fraktionen im jüngsten Militärkonflikt welche Rolle spielten
Militärische Alarmbereitschaft, Besorgnis und interne Konfusion – so läßt sich derzeit die US-amerikanische Reaktion auf den jüngsten Vorstoß irakischer Bodentruppen gegen die kurdische Stadt Arbil beschreiben. Er sei von der Militäraktion „zutiefst betroffen“, ließ US-Präsident Bill Clinton verlauten. Es sei jedoch „verfrüht, jetzt schon darüber zu spekulieren, wie die USA reagieren werden“.
US-Truppen in der Golfregion wurden in Alarmbereitschaft versetzt, Verstärkung durch US-Marines sowie B-52-Bomber angeordnet. Hinter den Kulissen versuchten Berater im Weißen Haus auseinanderzusortieren, welche Fraktionen in dem jüngsten Militärkonflikt im Nordirak welche Rolle spielten – und wessen Einflußnahme zweier amerikanischer Erzfeinde man in Washington nun ernster nehmen soll: die des Irak oder die des Iran.
Daß sich innerhalb der „Schutzzone“ zwei kurdische Fraktionen seit langem blutige Kämpfe liefern, war der Öffentlichkeit in den USA bislang kaum bekannt. Das Außenministerium hingegen hatte dem Bruderkampf Aufmerksamkeit beigemessen: Im August 1995 kam auf US-Vermittlung ein Waffenstillstand zwischen Talabanis PUK und Barsanis KDP zustande; erst letzte Woche hatten die beiden verfeindeten Kurdenführer sich bereit erklärt, in London Friedensverhandlungen zu beginnen.
Doch als am Wochenende deutlich wurde, daß der irakische Angriff auf die PUK-Hochburg Arbil von Kämpfern der KDP unterstützt wurde, erklärte ein Vertreter der US-Regierung: „Wir haben versucht, die Kurden zusammenzuhalten. Aber jetzt ist die eine Seite mit Saddam ins Bett gesprungen, die andere mit dem Iran.“
Kathryn Porter, Sprecherin von „Human Rights Alliance“, die zwischen den verfeindeten Organisationen zu vermitteln versucht, übte jedoch scharfe Kritik an der US- Kurdenpolitik. Pläne, andere kurdische Organisationen finanziell zu stärken und eine neutrale kurdische Beobachtertruppe im Nordirak zu finanzieren, seien nie umgesetzt worden. Auch auf den militärischen Vorstoß iranischer Truppen auf nordirakisches Territorium, bei dem der Iran im Juli zahlreiche Waffen für die PUK deponierte, habe die Clinton-Regierung „nicht energisch genug“ reagiert. Andrea Böhm, Washington
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