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Finanzsenatorin steht allein im Regen

Mit seinen Leitlinien zur Haushaltspolitik setzt sich Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen von Annette Fugmann-Heesing ab und bringt die SPD in die Klemme  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Die Demontage kam nicht überraschend. Kurz bevor Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen am Montag seine Leitlinien zur Haushaltspolitik verkündete, hatte bereits eine Zeitung die Frage aufgeworfen, ob die SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing ein „Auslaufmodell“ sei.

Als Diepgen sein elfseitiges Papier am Montag offiziell vorlegte, war die Attacke auf den Koalitionspartner nur unschwer zu überlesen. „Antizyklische Wirtschaftspolitik“, also mehr öffentliche Investitionen in Zeiten der Wirtschaftsflaute, sei künftig notwendig. Eine „problematische wirtschaftliche Entwicklung darf nicht durch einseitig restriktive finanzpolitische Maßnahmen noch verstärkt werden“. Damit folgte der CDU-Regierungschef im Kern dem Tenor seiner Fraktion, deren Führungsspitze schon seit längerem den Sparkurs der Finanzsenatorin kritisiert hatte. Und mißverständliche Formulierungen des SPD-Fraktionschefs Klaus Böger, der Fugmann-Heesing in die Hauptstadt geholt hatte, erweckten den Anschein, als rücke auch er vom Konsolidierungsziel ab.

Seit der Vorstellung von Diepgens Papier – das im übrigen keinerlei bindende Kraft für den Senat hat – versucht die SPD, dem Konflikt die Schärfe zu nehmen. Eine Alternative zur Großen Koalition, so der Tenor weiter Teile in der SPD-Fraktion, gebe es wegen der Stärke der PDS und der möglichen Schwäche eines rot-grünen Bündnisses nicht. Er sei froh, daß Diepgen sich in die Diskussion eingeschaltet habe, meint denn auch Böger. Sein Papier sei ein „wichtiger Diskussionsbeitrag“, obwohl es große Lücken aufweise.

In Diepgens Modell, das in großen Teilen schwammig formuliert ist und den Sozialdemokraten viele Hintertüren offen läßt, sollen vor allem soziale Aufgaben zurückgefahren werden. Namentlich werden kostenlose Leistungen für Behinderte, die Frauenförderung und die Unterbringung von Flüchtlingen genannt. Auf Linie der SPD liegt dagegen seine Forderung, den sozialen Wohnungsbau zu reduzieren und geplante städtebauliche Entwicklungsgebiete auf ihre Finanzierbarkeit hin zu überprüfen.

Im Gleichklang mit Böger versucht man auch im Hause der Finanzsenatorin, den Konflikt herunterzukochen: Grundsätzlich habe Fugmann-Heesing nichts gegen antizyklische Investitionen einzuwenden, heißt es dort, eine Garantie für einen wirtschaftlichen Aufschwung gebe es aber nicht. Die Schieflage des Berliner Haushaltes erlaube es leider nicht, „über das bisherige Maß hinaus eigene Konjunkturpolitik zu betreiben“, so Fugmann-Heesing.

Die in den Medien wegen ihrer schonungslosen Analyse des maroden Haushalts gefeierte SPD-Politikerin hatte kurz nach ihrer Amtsübernahme Anfang des Jahres einen Zeitplan für die Konsolidierung der Finanzen vorgelegt. Danach sollen bis zum Ende der Legislaturperiode 1999 34,1 Milliarden Mark eingespart werden. Zentrales Ziel ist dabei die Senkung der Netto-Neuverschuldung, die bis dahin von derzeit rund sechs auf vier Milliarden verringert werden soll. Dagegen versucht sich Diepgen jetzt im Spagat: Die Nettokreditaufnahme müsse zwar nach wie vor „schrittweise“, aber „unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung“ zurückgeführt werden.

Trotz des Versuchs, Diepgens Papier als bloße Arbeitsthesen für die anstehenden Beratungen mit den Einzelressorts im Senat zu verkaufen, ist die Juristin und frühere hessische Finanzministerin durch die unglückliche Haltung ihrer Partei beschädigt worden. In einem Interview hatte Böger kürzlich erklärt, er schließe „nicht aus“, daß die Konsolidierung des Haushaltes erst nach 1999 abgeschlossen werden könnte. Dabei hatte der Fraktionschef noch vor Monaten Forderungen der Parteilinken nach einer Neuverschuldung strikt abgelehnt. Ihr exponiertester Sprecher, der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Klaus- Uwe Benneter, monierte folglich auch weniger den Tenor des Diepgen-Papieres als viemehr dessen inhaltliche Ausrichtung. Die Leitlinien seien schlicht nicht „sozialverträglich“.

Unbeachtet blieb bislang, daß Diepgens Satz von einer „antizyklischen Wirtschaftspolitik“ einen mühsam verhinderten Streit innerhalb der SPD wieder hervorrufen könnte. Benneter war vor der Sommerpause, damals noch als Schatzmeister, im Vorstand seiner Partei mit just dieser Forderung gescheitert. Statt dessen wurde das Zauberwort in einen Antrag der Berliner SPD für den Bundesparteitag im Herbst verbannt. Darin heißt es: Adressat antizyklischer Politik könne nur der Bund sein.

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