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Nicht durch das Raster fallen

Würdigung der Modellschule „Stadt als Schule“. Durch Sparmaßnahmen jedoch akut gefährdet: 30 Prozent Einsparungen im Personalbereich  ■ Von Julia Naumann

Mit 15 Jahren schwanger, drogenabhängig, Streß in der Familie. Dabei noch regelmäßig zur Schule gehen: fast ausgeschlossen. Gar einen Schulabschluß machen: völlig utopisch. Und wenn die mißliebigen SchülerInnen dann auch noch durch die Netze der Hauptschule rutschen, immer wieder sitzenbleiben und die Schule schließlich ohne Abschluß verlassen müssen, dann scheint der Weg ins soziale Abseits vorgezeichnet.

Aus dieser Misere konnte bisher die Kreuzberger Modellschule „Stadt als Schule“ helfen. Sie gibt denjenigen eine Perspektive, die keine Perspektive mehr hatten. 1992 gegründet, pauken die rund 13O SchülerInnen nicht nur Englisch und Mathe für den Hauptschulabschluß, sondern lernen an drei Tagen wöchentlich „in der Stadt“ – beispielsweise in der Apotheke, in der Anwaltskanzlei, in der KFZ-Werkstatt. Doch die Arbeit in den Betrieben unterscheiden sich von gewöhnlichen Berufspraktika. Die SchülerInnen müssen eigenverantwortlich arbeiten und lernen durch die MitarbeiterInnen, die als „Mentoren“ fungieren, den gesamten Berufszweig intensiv kennen. Weil „Stadt als Schule“ bisher einzigartig in der Bundesrepublik und als besonders innovativ gilt, wird sie heute mit sechs anderen Modellschulen von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh gewürdigt. 333 Schulen aus allen Bundesländern, darunter 30 Berliner Schulen, hatten sich für den „Sonderpreis Innovative Schulen“ beworben.

Die Würdigung erhöht zwar das Prestige der Schule, nützt den SchülerInnen und LehrerInnen aber nur wenig, falls die prekäre finanzielle Lage der Schule weiterhin bestehen bleibt. „Wir werden einerseits anerkannt, andererseits müssen wir permanent kämpfen“, beschreibt Schulleiterin Dorit Grieser die kritische Situation. 30 Prozent des Personals fielen in diesem Schuljahr durch die Sparmaßnahmen weg: drei LehrerInnen, der für alle Nöte der SchülerInnen zuständige Sozialarbeiter und im nächsten Jahr auch der Verwaltungsangestellte, der die rund 800 Praktikaplätze koordiniert. „Das ganz spezielle Schulprofil ist bald nicht mehr gewährleistet“, konstatiert Grieser. So mußten die Klassen bereits vergrößert werden, die für Krisen-kids extrem bedeutsame psychosoziale Beratung muß zukünftig von den LehrerInnen, die bereits freiwillig stundenweise länger arbeiten, übernommen werden.

Daß die Schule am Anhalter Bahnhof jedoch im besonderen Maße förderungswürdig ist, zeigt die Erfolgsquote der AbgängerInnen. Zwei Drittel der „Stadt als Schule“-Teilnehmerinnen schaffen den Hauptschulabschluß, und „fast alle haben eine Anschlußperspektive“, betont Dorit Grieser. Ein weiteres Praktikum, einen Ausbildungsplatz und manche sogar einen Arbeitsplatz.

Dorit Grieser fordert deshalb, daß in Modellschulen trotz der Sparzwänge weiterhin „geringfügig mehr investiert wird“. Eine Investition, die sich nach Griesers Ansicht lohnt: Die immensen Neben- und Folgekosten aufgrund von Vandalismus, Sozialhilfe oder Straffälligkeit, die ohne die spezielle Förderung in der Modellschule bewältigt werden müßten, fielen weg. Deshalb wünscht sie sich, daß die Schulverwaltung „über Schule neu nachgedenkt" und ressortübergreifend in alle gesellschaftliche Bereichen hinein Schulkonzepte erarbeitet.

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