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Mit Kondensmilch und Ketchup

■ Gestern begann der Prozeß gegen Michael Born, der mehreren Fernsehsendern gefälschte Beiträge verkauft hat

Koblenz (taz) – Eine Hakenkreuzfahne, eine Reichskriegsflagge und die bayerische Staatsfahne, Bomberjacken mit aufgenähten Emblemen neonazistischer Gruppen, drei spitze Hüte und selbstgeschneiderte Kittel – die Maskerade der rechtsradikalen, rassistischen Geheimbündler vom Ku-Klux-Klan. Das alles lag gestern, von Gerichtsdienern sorgfältig drapiert, im Verhandlungssaal 102 am Landgericht in Koblenz zur Ansicht aus. Es handelte sich um die Requisiten aus einem nicht abendfüllenden „Spielfilm“ mit dem Arbeitstitel „Ku-Klux-Klan in der Eifel“, den Michael Born produziert hat und an Stern TV als „Reportage“ verkauft haben soll – für 28.750 Mark. Born (38) ist wegen Betrugs und anderer Delikte vor der 12. Strafkammer am Landgericht angeklagt.

Rund 20 sogenannte Fakes soll der schmächtige Mann in den Jahren 1990 bis 1995 hergestellt und vor allem an Stern TV, Spiegel TV und DRS (Schweiz) verkauft haben, konstatierte Staatsanwalt Walter Schmengler, der gestern mit dem Verlesen der Anklageschrift den Prozeß eröffnete. Mit Born auf der Anklagebank sitzen seine besten „Schauspieler“ und Kameramänner: Peter Rothenhöfer (29), Georgis Charalampuos (40) und Roldan Herrig (38). „Betrogen“ habe Born die diversen Sendeanstalten mit seinen Filmen, sagte der Staatsanwalt. Denn wenn die verantwortlichen Redakteure dort gewußt hätten, daß ihnen von dem Journalisten und Filmproduzenten nur „Totalfälschungen“ oder mit nachgestellten Interviews und Szenen aufgefrischtes „Archivmaterial“ angeboten worden sei, hätten sie das Material doch „nie gekauft“ (Schmengler).

Die „Männer vom Ku-Klux- Klan“ jedenfalls, die sich in einer Höhle bei Mendig angeblich mit deutschen Rechtsradikalen getroffen haben sollen, waren bezahlte Laiendarsteller aus dem Freundeskreis von Born. Für die Reportage „Plünderer Ost“ für Stern TV ließ Born seine Freunde ihre eigenen Wohnungen ausräumen, weil er „auf das Problem aufmerksam machen“ wollte, aber an die richtigen Diebe aus dem Westen, die in Ostdeutschland die Antiquitäten abräumen, nicht herankam. Sein größter Coup: Die „Colorado- Kröte“, ein exotisches Tierchen, das angeblich ein rauscherzeugendes Sekret absondere. Was sein Bekannter dann tatsächlich von der Kröte ableckte, war – Kondesmilch. Stern TV legte dafür 20.700 Mark auf den Tisch.

Es gab jedoch auch kritische Kunden. So lehnte etwa „Explosiv“ (RTL) einen Beitrag von Born zum Thema Exhibitionismus ab. Eine Freundin von Born hatte dafür im Stadtpark von Koblenz vor „entsetzten“ Bekannten den Mantel geöffnet. So kritisch wie RTL hätte jeder Sender sein können – aber offenbar nicht wollen. Das ist die Verteidigungslinie Borns. Schon in seiner ersten Einlassung nach der Verlesung der Anklageschrift gab er offen zu, für diverse Sender diverse „Fakes“ produziert zu haben. Aber alleine schon an der Schnittechnik hätten gestandene Fernsehjournalisten erkennen müssen, daß ihnen da „Spielfilmelemente“ vorgeführt worden seien. Born: „Nach der Authentizität hat aber nie einer gefragt.“

Für den Anwalt Borns stellt sich deshalb in diesem Prozeß die „Frage nach der Medienehrlichkeit insgesamt“. Er beantragte die Ladung von Claus Hinrich Casdorff (WDR) zur Klärung dieser und anderer Fragen auch produktionstechnischer Natur. Ihm selbst, so Born, sei es bei der Produktion seiner „Fakes“ nie um Geld gegangen. In seiner Reportage über Schlepper etwa habe er persönlich den Schlepper gespielt und dabei tatsächlich libanesischen Flüchtlingen die illegale Einreise in die Bundesrepublik ermöglicht. Der Prozeß wird am Mittwoch fortgesetzt. Klaus-Peter Klingelschmitt

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