: Mit Staatsschutz gegen Politik
LKA ermittelte gegen GALierin wegen „Verleumdung“ der Polizei nach Tod eines Asylbewerbers / Erhebt Staatsanwaltschaft Anklage? ■ Von Silke Mertins
„Warum“, wollte die Harburger GAL-Fraktionschefin Julia Carmesin vom Leiter der Polizeidirektion Süd wissen, „ist nicht wenigstens einer der drei ausgebildeten Polizeibeamten ins Wasser gesprungen“, um den 16jährigen Jude A. zu retten? Statt Hilfe zu leisten, hätten die Polizisten nach Berichten von Augenzeugen am Ziegelwiesenkanal gestanden und über die Tiefe des Gewässers diskutiert, während der ertrinkende afrikanische Jugendliche noch strampelte.
Die grüne Kritik am polizeilichen Handeln führte im Juli nicht nur zu tumultartigen Emotionsentladungen in der Harburger Bezirksversammlung, sondern auch zu einer Anzeige gegen die GALierin wegen „übler Nachrede“ und „Verleumdung“ der Polizei. Nun hat das Landeskriminalamt, Abteilung Staatsschutz, das Ermittlungsverfahren abgeschlossen und der Staatsanwaltschaft übergeben, erklärte gestern Carmesins Rechtsanwalt Mahmut Erdem. Die Staatsanwälte müssen nun entscheiden, ob Anklage erhoben wird.
Die GAL hatte im Juli einen Antrag gestellt, den Tod des jugendlichen Afrikaners und die Rolle der Polizei aufzuklären. Nachdem der 16jährige, offenbar aus Angst vor den Beamten, am 6. Juni aus dem Fenster des Asylbewerberschiffs in den Ziegelwiesenkanal gesprungen war, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen empörten Bewohnern des Flüchtlingsschiffes und der Polizei. Auch in späteren Protestaktionen wurden Vorwürfe gegen die Polizei erhoben.
Gegen einen der Mitorganisatoren, Alexander Ngnoubamdjum von der Black Students Organisation, wurde ebenfalls vom Staatsschutz wegen Verleumdung, Nötigung und Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit ermittelt. „Das ist politisch motiviert“, so der aufgrund zahlreicher anderer anti-rassistischer Aktionen bekannte Afro-Deutsche. „Es soll gegen mich etwas konstruiert werden, um mich zu kriminalisieren.“
Anzeige erstattet hatte einer der beteiligten Polizisten, Jürgen T., der die Kritik der GALierin als Vorwurf unterlassener Hilfeleistung auffaßte. Bereits die CDU-Fraktion hatte Carmesin aufgefordert, die Polizisten doch anzuzeigen, wenn sie eine Straftat unterstelle. Dies hatte die GALierin im Eifer des Wortgefechts zwar angekündigt, jedoch nicht getan. Ihr sei es mit dem Antrag nur um die Aufklärung der Vorfälle und eventuell zu verbessernde Rettungs- und Sicherheitseinrichtungen auf dem Schiff gegangen. Vor zwei Jahren war schon einmal ein Kind ertrunken.
„Die Äußerung einer Politikerin in einem Kommunalparlament kann nicht durch eine Strafanzeige unterbunden werden“, kommentiert Rechtsanwalt Erdem das Ermittlungsverfahren. „Das käme einer politischen Zensur gleich.“
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