„Das muß man im Auge behalten“

■ Am 30. September ist Stichtag für die freie Wahl der Krankenkasse

„Sie sind dabei?“, „Kommen Sie zu uns“ – mit diesen Sprüchen umwerben Krankenkassen jetzt alle gesetzlich Krankenversicherten: Denn die können ihre Kasse nun frei wählen. Am 30. September läuft die Kündigungsfrist ab. Wer sich neu versichern will, kann das ab 1. Januar 1997 tun. Jeder Dritte will laut Umfragen seine Kasse wechseln. Der Kampf um Kunde König hat auch in Bremen begonnen - und jede Kasse will dabei natürlich die Beste sein. Statt auf Werbetricks hereinzufallen, ist gezielte Information gefragt. Wir sprachen mit Gabriele Zeugner, Beratungsstellen-Leiterin der Bremer Verbraucherzentrale, über die freie Kassenwahl.

taz: Bei einem so großen Kassenangebot sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Was raten Sie jetzt den Verbrauchern?

Gabriele Zeugner, Leiterin der Beratungstelle der Verbraucherzentrale Bremen-Mitte:

Wir raten, die Krankenkassen genau zu befragen, natürlich nach dem Beitragssatz. Aber das ist nicht das einzige und wichtigste Kriterium zur Auswahl. Da ist zum Beispiel auch die Kundenberatung: Wie sind die Öffnungszeiten und wo liegt die nächste Geschäftsstelle? Außerdem wichtig sind die Beratungsangebote für Mitglieder vor Ort: Gibt es Fachberater wie Apotheker, Ärzte oder Zahnärzte, die medizinische Fragen klären. Gibt es Unterstützung bei Behandlungsfehlern? Ganz besonders wichtig sind spezielle Angebote für bestimmte Patientengruppen, also für Diabetiker, Asthmatiker oder Neurodermitiker. Interessant ist auch die Übernahme von alternativen Heilmethoden wie Akupunktur. Das ist aber noch längst nicht alles.

Raten Sie Kurzentschlossenen zum Schnellschuß?

Wenn der Betroffene unzufrieden mit seiner Kasse ist, dann sollte er möglicherweise nicht warten und kündigen. Denn dann kann er zum Jahresende wechseln. Wenn nicht, muß er noch volle 12 Monate in der Kasse bleiben. Wenn er unschlüssig ist, dann sollte er lieber überlegen und die genannten Kriterien berücksichtigen.

Ab 1. Januar 1997 sollen Krankenkassen ihre Beiträge senken – so will es Gesundheitsminister Horst Seehofer. Aber in der Branche wird jetzt gemunkelt, daß die Kassen ihre Sätze vor dem Stichtag noch mal kräftig anheben wollen.

Das ist ein Problem. Es ist nicht klar, ob die Beitragssätze, mit denen die Kassen jetzt werben, auch tatsächlich so bleiben. Auch das Sparpaket der Bundesregierung hat hier großen Einfluß.

Das Problem stellt sich auch bei der Gesundheitsförderung. Wenn eine Kasse jetzt sagt: Wir bieten tolle Rückenschulen, Ernäh-rungsberatung etc. – trotz der Kürzung der Gesundheitsförderung durch Seehofer – weiter an: Dann lügen sie vielleicht.

Das muß man im Auge behalten. Wenn Sie jetzt die Angebote der Kassen auf diesem Gebiet vergleichen, dann können Sie nur den jetzigen Stand sehen.

Wo finden Interessierte Rat? Betroffene können zu uns in die Verbraucherzentrale kommen. Wir haben in Bremen drei Beratungsstellen. Außerdem haben wir eine Broschüre vorbereitet, die für eine Schutzgebühr von 2 Mark bei uns zu haben ist.

Geschäftsstelle der Verbraucherzentrale: Am Wall 121, Tel: 1 85 26. Fragen: kat