piwik no script img

Westbank-Städte unter Arrest

■ Israels Armee hat palästinensische Städte total abgeriegelt. Verletzte können nicht in den Kliniken behandelt werden

Ramallah (taz) – „Interne Schließung“ heißt das neueste Zauberwort israelischer Aufstandsbekämpfung. Früher wurde die Westbank, wenn die israelische Seite ihre Sicherheit bedroht sah, kurzerhand an der grünen Linie zum israelischen Staatsgebiet von 1948 abgeriegelt. Eine Schließung, die vor allem jene Palästinenser traf, die darauf angewiesen waren, in Israel Arbeit zu finden.

Seit letzter Woche nun führt die israelische Armee vor, was die bisherigen Ergebnisse des Osloer Abkommens konkret bedeuten können. Jede der sieben Westbank- Städte, die laut dem Abkommen unter voller palästinensischer Kontrolle stehen, wurden voneinander abgeriegelt. An allen Ausgängen haben sich israelische Straßenkontrollen aufgebaut. Das dazwischen liegende Gebiet, das sich laut Abkommen vorläufig weiter unter voller israelischer Souveränität befindet und 70 Prozent der Westbank ausmacht, wurde zur „geschlossenen Militärzone“ erklärt.

Um die kollektive Befolgung dieser Politik durchzusetzen, hat die israelische Armee rund um die Städte Panzer zusammengezogen. Die „Bantustanisierung“ der Westbank ist damit perfekt. Als „Stadt-Arrest“ bezeichnete eine Gruppe von palästinensischen Menschenrechts- und Hilfsorganisationen dieses Vorgehen gestern in Ramallah.

Besonders schlimm sind die Auswirkungen bei der medizinischen Versorgung. Kranke in den Dörfern rund um die Städte haben praktisch keine Möglichkeit mehr, die dortigen Krankenhäuser zu erreichen. Die Überstellung von Patienten in ein Krankenhaus in einer anderen Stadt ist unmöglich. Und das in einer Zeit, in der mehrere hundert Verletzte der letzten Woche intensive Behandlung benötigen. „Die meisten Ärzteteams können die ländlichen Kliniken nicht mehr erreichen“, erzählt Mustafa Barghuti, der Chef der „Vereinigung Palästinensischer Medizinischer Hilfskomitees“. Mehrere Krankenhäuser blieben in den letzten Tagen ohne ärztliches Personal. In der Umgebung von Nablus wurde über 30 Dialyse-Patienten der Zugang zur Stadt und damit zum Krankenhaus verweigert. Mehrere Frauen mit Wehen wurden stundenlang an israelischen Straßenkontrollpunkten aufgehalten, zwei von ihnen brachten ihre Kinder im Auto zur Welt.

Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, daß die israelische Armee die Abriegelung lockern wird. Bei einem Besuch am israelischen Außenposten vor der palästinensischen Stadt Tulkarm erläuterte der israelische Außenminister Yitzak Mordechai sein Konzept der Eventualitäten: „Die volle Kraft der israelischen Armee für den Fall, daß die Gewalttätigkeiten wieder aufflammen.“ Karim El-Gawhary

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen