: Kinkel macht gut Wetter in Peking
Außenminister will Beziehungen zu China normalisieren und bringt Bürgschaften für Staudamm mit. Mit dem Geschenk konterkariert er seine eigene Menschenrechtspolitik ■ Aus Berlin Sven Hansen
Bundesaußenminister Klaus Kinkel ist gestern zu einem mit Spannung erwarteten viertägigen Besuch in Peking eingetroffen. Im Mittelpunkt der heiklen Reise steht die Normalisierung der bilateralen Beziehungen, nachdem es in den letzten Monaten zu zahlreichen Verstimmungen gekommen war.
Heute wird Kinkel mit Staats- und Parteichef Jiang Zemin und Ministerpräsident Li Peng zusammentreffen. Dabei soll auch über den China-Besuch von Bundespräsident Roman Herzog in der zweiten Novemberhälfte gesprochen werden. Herzog wird als erstes deutsches Staatsoberhaupt nach dem Pekinger Massaker vom 4. Juni 1989 die Volksrepublik besuchen.
Gestern traf Kinkel seinen Amtskollegen Qian Qichen. Ergebnisse des Treffens lagen bis Redaktionsschluß nicht vor. Zuvor hatte Kinkel erklärt, er wolle die Menschenrechte „im Geiste gegenseitiger Anerkennung“ ansprechen. Diese Formulierung entspricht der Sprachregelung, auf die sich im September beide Außenminister geeinigt hatten, um Kinkels Reise zu ermöglichen. Denn Peking hatte im Juli Kinkel wegen der chinakritischen Tibet-Resolution des Bundestages ausgeladen. Seitdem waren beide Seiten sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht.
Kinkel wich vor der Begegnung mit Qian der Frage aus, ob er auch den konkreten Fall des Dissidenten Wang Dan ansprechen wird. Die Eltern des 27jährigen Regimekritikers hatten Kinkel mit Nachdruck gebeten, sich für ihren Sohn einzusetzen. Beobachter rechnen damit, daß der inhaftierte Studentenführer täglich vor Gericht gestellt werden könnte. Ihm wird vorgeworfen, die Regierung stürzen zu wollen. Sollte Wangs Prozeß während des Kinkel-Besuchs eröffnet werden, wäre dies ein Affront für den Außenminister.
Andererseits muß Kinkel, sollte er den Fall Wang ansprechen, damit rechnen, daß Peking aus Verärgerung den Prozeß genau in die Zeit des Besuches legt. Kinkels Verhandlungsposition ist schwächer als früher, da er beim Streit um die Tibet-Resolution keine gute Figur gemacht hat. Angesichts des proklamierten Ziels, die Verhältnisse normalisieren zu wollen, kann er es sich jetzt kaum leisten, Dinge anzusprechen, die von der chinesischen Regierung als Brüskierung empfunden werden könnten. Um in Peking gut Wetter zu machen, lobte Kinkel auf dem Weg nach Peking die guten Beziehungen zur chinesischen Regierung und brachte quasi als Gastgeschenk Hermes-Bürgschaften für den Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse mit.
Bonn will der deutschen Industrie mit Bürgschaften im Umfang von rund 500 Millionen Mark den Einstieg in das größte Staudammprojekt der Welt ermöglichen. Der Megadamm stößt nicht nur aus ökologischen Gründen auf starke Kritik, sondern vor allem wegen der historisch beispiellosen Umsiedlung von 1,3 Millionen Menschen. Andere westliche Geldgeber haben deshalb eine Finanzierung des Mammutprojekts abgelehnt.
Die deutsche Beteiligung am Drei-Schluchten-Staudamm spricht jeder Menschenrechtspolitik Hohn. „Bei Umsiedlungen in diesem Ausmaß ist mit Menschenrechtsverletzungen zu rechnen“,sagt Barbara Unmüßig von der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (Weed). Laut Unmüßig führe der Staudamm für die betroffene Bevölkerung zu verheerenden sozialen Folgen. Schon heute gebe es genügend Anzeichen dafür, daß die chinesischen Behörden mit der Umsiedlung überfordert seien und versprochene Standards nicht einhielten.
Während Bonn sich mit den Hermes-Bürgschaften für den Damm an der Umweltzerstörung in China beteiligt, wird Kinkel außerdem noch von einer 20köpfigen Wirtschaftsdelegation begleitet, die den Chinesen deutsche Umwelttechnologie verkaufen will.
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