: Die Kennzeichnung kommt – so oder so
Der Streit um ein Gentech-Label spitzt sich zu. Demnächst wird es die Kennzeichnung für gentechnikfreie Ware geben ■ Von Wiebke Rögener
Es gibt viele Gründe, gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht zu kennzeichnen. So ist es sehr aufwendig, den Weg aller verarbeiteten Rohstoffe bis hin zu den Ursprungsquellen nachzuvollziehen. Und: Die getrennte Lagerhaltung und Verarbeitung von gentechnisch hergestellter und konventioneller Ware ist mit höheren Kosten verbunden. Weitaus schwerwiegender ist jedoch: Gibt es vergleichbare Erzeugnisse ohne Gentechnik-Etikett, wird das Novel-Food wohl nur schwer verkäuflich sein.
Umfragen ergaben, daß mehr als dreiviertel aller Bundesbürger genmanipulierte Nahrung ablehnen. Zwar beteuert die Industrie, sie sei „im Prinzip für die Kennzeichnung“. Doch will sie die sensiblen Verbraucherseelen nicht beunruhigen, und überhaupt dürfe man nicht übertreiben. Die herbizidresistenten Sojabohnen von Monsanto jedenfalls sollen der Einfachheit halber gar nicht kenntlich gemacht werden. Eine separate Ernte und Verarbeitung erübrige sich damit auch.
Fehlende Kennzeichnung entmündigt Verbraucher
Hierbei werden zwei Argumentationsstränge verfolgt: Erstens sei im Sojaöl kein „manipuliertes“ Eiweiß oder entsprechende Erbsubstanz nachweisbar. Zweitens sei die Kennzeichnung der Lebensmittel, die Sojabestandteile enthalten, praktisch undurchführbar. Da sich Soja in fast ein Drittel aller Produkte findet, müßte ein Großteil aller verarbeiteten Lebensmittel das Gentech-Label tragen. In der Praxis bedeutet dies eine Entmündigung all jener VerbraucherInnen, die auch unabhängig von möglichen Gesundheitsgefahren keine Gentech-Lebensmittel kaufen wollen.
Doch die Front der Kennzeichnungsgegner wackelt. Voraussetzung für jede glaubwürdige Etikettierung ist die separate Vermarktung von traditionellen und genmanipulierten Sojabohnen. Sie wird selbst von der europäischen Handelsorganisation EuroCommerce und auch von immer mehr Supermarktketten verlangt, die Gentechnik nicht generell ablehnen. Hieß es vor kurzem noch aus den USA, das sei ausgeschlossen, berichtete die Washington Post Anfang Oktober: Einige amerikanische Händler haben ihren europäischen Kunden bereits die Lieferung gentechnikfreier Ware zugesagt.
Liste der Verweigerer wird immer länger
Greenpeace hält die Behauptung, es sei aus technischen Gründen unvermeidbar, die Bohnen zu mischen, für „eine gezielte Fehlinformation“: Die US-Farmer würden zum Teil sogar von den Saatgutvertreibern angewiesen, Gentech- Soja getrennt zu lagern. Die von Monsanto lizenzierten Saatgutfirmen haben nämlich Probleme mit dem Nachschub. Sie kaufen ein Teil der Gentech-Ernte auf, um sie im nächsten Jahr für die Neuaussaat wieder zu verkaufen.
Einige Silos sollen auch bereits die Annahme von Gentech-Soja verweigern. Zudem stammen zwar heute 60 Prozent der in Europa verarbeiteten Sojabohnen aus den USA, aber auch aus Ländern wie Argentinien, Brasilien oder Japan, die das Monsanto-Saatgut dieses Jahr noch nicht verwenden, wird Soja importiert.
Eine Unterscheidung ist also, entgegen den Behauptungen der Gentech-Lobby, prinzipiell möglich. Und so wächst die Zahl der Händler und Hersteller, die die manipulierten Bohnen entweder nicht verwenden oder aber wenigstens konsequent kennzeichnen wollen. Eine entsprechende von Greenpeace herausgegebene Liste umfaßte im September 25, Mitte Oktober schon 35 Namen. Darauf finden sich nicht nur Ökoverbände oder die deutschen Hersteller von Kindernahrung, sondern auch ein Branchenriese wie Markant, der mit seinen Supermarktketten einen Marktanteil von über 23 Prozent am deutschen Lebensmittelhandel abdeckt. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände fordert, alle Sojaprodukte aus transgenen Pflanzen zu kennzeichnen.
Die Stiftung Verbraucherinitiative plant darüber hinaus den Aufbau einer unabhängigen Datenbank. Hier könnten Konsumenten gezielt nachfragen, welche Lebensmittel in welcher Form Gentech- Soja enthalten.
Ein Label für gentechnikfreie Nahrung
Einen anderen Weg beschreitet der Verein für gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel e.V. Er ließ die Marke Naturgen als geschütztes Warenzeichen eintragen. Mit diesem Label werden künftig Lebensmittel versehen, die nachweislich auf allen Produktionsstufen ohne Genmanipulationen auskommen. Durch Betriebsprüfungen, Kontrolle der Warenströme und molekularbiologische Analysen der Produkte will der Verein sicherstellen, daß Verbraucher auch zukünftig die Wahl haben, Lebensmittel ohne eingeschleuste Fremdgene zu kaufen.
Händler, die sich nicht zu einer eindeutigen Etikettierung von Gentech-Soja durchringen, bekommen also möglicherweise bald Probleme mit dem Absatz sojahaltiger Produkte. Längerfristig könnte sich gar der Trend zu sogenannten „Convenience-Produkten“, zu stark verarbeiteten Lebensmitteln mit kurzer Zubereitungszeit also, umkehren. Wer in jedem Fischstäbchen Gentech- Soja vermuten muß, kauft vielleicht doch lieber wieder frischen Seelachs.
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