: Mitterrands Minister war KGB-Mann
■ Frankreichs ehemaliger Verteidigungsminister Charles Hernu soll für mehrere östliche Geheimdienste gearbeit haben
Paris (taz) – Über Charles Hernu war bisher bekannt, daß er Verteidigungsminister war, als Agenten seines militärischen Dienstes die „Rainbow Warrior“ vesenkten und dabei einen Greenpeacler umbrachten. Daß er die sozialistische PSU mitgründete, daß er zu den engsten Vertrauten von François Mitterrand gehörte, daß er die Kommunisten bekämpfte und daß er die Frauen genügend liebte, um fünf von ihnen zu heiraten. Seit gestern kennen die Franzosen ein entscheidendes zusätzliches Detail aus dem Leben Hernus: Laut einem Bericht der Pariser Wochenzeitung Express arbeitete er jahrelang für den KGB sowie die bulgarischen und rumänischen Geheimdienste.
Mitterrand soll es schon 1992 gewußt haben. In jener Zeit unmittelbar nach dem Mauerfall wurde dem französischen Geheimdienst DST (Direction de la Surveillance du territoire) aus Osteuropa ein Dossier zugespielt, das die fremden Tätigkeiten Hernus beschrieb. Unter anderem soll darin ein Porträt eines gewissen Mitterrand erwähnt sein, das Hernu in den 50er Jahren für den bulgarischen KDS verfaßt habe. Der vom DST-Chef informierte sozialistische Staatspräsident deklarierte die Angelegenheit zum Staatsgeheimnis, schreibt Express. Das Hernu-Dossier verschwand erneut in einem Giftschrank – dieses Mal an der Seine. Die Mitwisser in der damaligen konservativen Regierung, darunter Ministerpräsident Edouard Balladur und Innenminister Charles Pasqua, wahrten das präsidentiale Schweigen.
Vier Jahre später recherchierte die Wochenzeitung Express über die Affäre. Ihre Enthüllungen über die Ost-Connections des einstigen Chefs der französischen Armeen, der Atommacht und der Geheimdienste bezeichnet sie als ebenso erwiesen wie die Tatsache, daß Hernu als Verteidigungsminister eindeutig atlantische Positionen vertrat und mit Mitterrand für die Umsetzung des Nato-Doppelbeschlusses sorgte.
Der brillante junge Hernu, damals Mitarbeiter des französischen Außenhandelsinstituts, wurde laut Express 1953 von einem bulgarischen Diplomaten in Paris angeworben. Später übernahmen nacheinander „Securitate“ und KGB die Führung des vielversprechenden Agenten, der neben Porträts von Politikern Einschätzungen der französischen Lage schickte und dafür feste monatliche Bezüge bekam. Nach 1963, als Hernus Karriere in der sozialistischen Opposition bereits begonnen hatte, übernahm der KGB allein die Betreuung des Agenten „André“ in Paris. Ob Hernu anschließend weiter für die Sowjets gearbeitet hat und in welchem Ausmaß, ist bislang nicht bekannt.
In Paris schlug die Nachricht gestern wie eine Bombe ein. Während sich einzelne sozialistische Spitzenpolitiker, darunter Ex-EU- Präsident Jacques Delors, besorgt äußerten, bezweifelte die Partei die Echtheit der Informationen und verlangte eine Untersuchung.
Hernu selbst kann zur Wahrheitsfindung nichts mehr beitragen. Er starb im Januar 1990 – wenige Tage nach seinem einstigen Auftraggeber Ceaușescu – mitten während einer Armenien-Kundgebung 66jährig an einem Herzschlag. Von seinem Ministerposten war er schon 1985 wegen der Rainbow-Warrior-Affäre zurückgetreten. Mitterrand freilich ließ ihn nicht fallen. Er versicherte ihn schriftlich seiner „immerwährenden Freundschaft“ und dekorierte ihn noch 1986 mit dem hohen Orden „Chevalier de la Légion d'honneur“. Dorothea Hahn
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