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Nato berät über den Einsatz von Ifor II

Umstritten ist eine Mandatserweiterung, um mutmaßliche Kriegsverbrecher festzunehmen  ■ Aus Brüssel Andreas Zumach

Einen Tag nach den Wahlen in den USA begannen gestern in Brüssel die politischen Beratungen der Nato über eine Nachfolgetruppe für die „Implementierungsstreitkräfte“ (Ifor) in Bosnien. Das Mandat der Ifor läuft am 20. Dezember aus. Die im Nato-Hauptquartier scherzhaft „Ifive“ genannte Nachfolgetruppe soll ein allgemeines Mandat des UNO-Sicherheitsrates erhalten, jedoch weiter unter Oberbefehl der Nato stehen.

Die von Teilen der bundesdeutschen Bündnisgrünen erhobene Forderung nach einer UNO-Blauhelm-Truppe unter dem Kommando von Sicherheitsrat und Generalsekretär gilt selbst bei Nato- Regierungen, die damit sympathisieren, als „unrealistisch“. Denn dann würden „die USA unter gar keinem Umständen teilnehmen und in der Folge auch Rußland nicht“, heißt es in der Nato-Zentrale. Weitgehender Konsens herrscht unter den 16 Mitgliedsregierungen auch über den Gesamtumfang von „Ifive“, die Größe des von Verteidigungsminister William Perry inoffiziell bereits zugesagten US-Kontingents sowie die uneingeschränkte Teilnahme deutscher Soldaten. Noch umstritten sind der Stationierungszeitrahmen und der genaue Auftrag an die Truppe.

Den 16 Botschaftern des Nato- Rates liegen für ihre Beratungen vier „Optionen“ vor, die die militärischen Planungsstäbe der Allianz ausgearbeitet haben. Lediglich Spielmaterial ist Option 1, die den vollständigen und ersatzlosen Abzug der knapp 60.000 Ifor-Soldaten vorsieht. Die anderen drei Optionen unterscheiden sich im wesentlichen in der Anzahl der Soldaten, die zum Einsatz kommen sollen. Als sicher gilt unter den Planern im Nato-Hauptquartier, daß schließlich ein Gesamtumfang von knapp 30.000 Soldaten beschlossen wird, mit einem US-Kontingent von rund 5.000 GIs sowie etwa 3.000 bis 4.000 Bundeswehrsoldaten. Die Deutschen sollen in Bosnien stationiert werden und die gleichen Aufgaben und Pflichten übernehmen wie andere nationale Kontingente.

Die Clinton-Regierung, die den Verbleib von US-Soldaten in Bosnien erst noch durch den mehrheitlich repulikanischen Kongreß bringen muß, will das Mandat für die „Ifive“ auf ein Jahr begrenzen. Andere Nato-Staaten plädieren für eine Stationierung der Truppe bis zu den nächsten bosnischen Bundeswahlen, die für Mitte September 1998 vorgesehen sind. Vielen Offizieren der Nato-Planungsstäbe ist ohnehin klar, daß die internationalen Truppen angesichts der schwierigen Lage noch mindestens fünf Jahre im Lande bleiben müßten. Doch derartig langfristig festlegen wollen sich die Nato- Partner nicht.

Unstrittig ist bislang lediglich, daß „Ifive“ das sichern soll, was bislang im Rahmen des Dayton- Abkommens erreicht wurde, namentlich die Trennung der militärischen Verbände sowie die Überwachung der Rüstungskontrollvereinbarungen. Umstritten ist jedoch, ob die „Ifive“ auch einen ausdrücklichen Auftrag zur Festnahme mutmaßlicher Kriegsverbrecher erhalten und das in Dayton garantierte Rückkehrrecht von Flüchtlingen und Vertriebenen an ihre Vorkriegswohnorte durchsetzen soll. Zumindest die Forderung nach einem eindeutigen Auftrag zur Festnahme mutmaßlicher Kriegsverbrecher wurde öffentlich vom deutschen Verteidigungsminister Volker Rühe erhoben. Dies sei „keine Eintagsfliege“, versichern deutsche Offiziere in der Brüsseler Nato-Zentrale. Nichtöffentlich hätten sich Vertreter anderer Regierungen entsprechend geäußert. Im militärischen Hauptquartier der Allianz im belgischen Mons findet die Forderung auch bei hochrangigen Offizieren Unterstützung.

Ausführlich diskutiert wurde das Thema „Kriegsverbrecher“ vergangene Woche bei der Lagebesprechung mit dem Nato-Oberbefehlshaber, US-General George Joulwan. Aktueller Anlaß war die Meldung, daß vier vom Den Haager Kriegsverbrechertribunal angeklagte Serben als Polizeioffiziere in Omarska und Prijedor Dienst tun – darunter der ehemalige Kommandant des serbischen Todeslagers Omarska. Vorschlägen, die vier Männer von der Ifor festnehmen zu lassen, begegnete Joulwan diesmal noch mit der Anordnung, zunächst eine „positive Identifizierung“ der vier Männer vorzunehmen. Für eine Festnahme sei im übrigen die UNO-Polizei zuständig. Auch Joulwan und seine Mitarbeiter wissen, daß der Verweis auf die lediglich 1.700 Mann starke und schlecht ausgerüstete UNO-Polizei an den Realitäten in Bosnien völlig vorbeigeht.

Nicht zuletzt deshalb hat ein Umdenken bei der Nato eingesetzt. Schließlich will die Nato Ende nächsten Jahres in der bosnischen wie der internationalen Öffentlichkeit nicht ebenso als Versager dastehen wie zuvor die Blauhelmtruppen der Unprofor. Um genau dies zu vermeiden, müßte die Nato wesentliche Zusagen des Dayton-Abkommens umsetzen und die Lage in Bosnien deutlich verbessern.

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