Deshalb ist Iffy fett!

Skandal in der Lindenstraße: Im Gegensatz zu Spaghetti-Essen findet Sport in deutschen Soaps nicht statt  ■ Von Frank M. Ziegler

Nie spielt mal einer Fußball! O ja, früher gab es mal „Manni, der Libero“. Aber den Libero gab es nur zehn Folgen lang, und dann hatte sich das wieder mit dem Ballspielen. Überhaupt sind Zehnteiler keine richtigen Soaps. Soaps erkennt man daran, daß sie mindestens 500folgig sind und daß nie jemand Fußball spielt. Demzufolge ist zum Beispiel die „Lindenstraße“ eine Vorzeige-Soap. Da sind Bälle noch etwas, wo Dr. Dressler mit dem Rollstuhl hinrollt, um seiner Noch-Ehefrau beim festlichen Silvesterwalzer zuzugucken. Fuß-, Hand- oder Basketbälle kommen in der „realistischsten Langzeitserie Deutschlands“ jedenfalls nicht vor.

Sport in den Soaps scheint in genau dem Maße out zu sein, wie sie selbst bei ihren Anhängern in sind. Und keiner beschwert sich. Keiner wundert sich darüber, daß ein junger gesunder Bub wie Klausi Beimer noch nie eine Sporthalle von innen gesehen hat. Niemand will wissen, warum Jan Brandner in „Verbotene Liebe“ nie versucht hat, Rechtsaußen beim 1. FC Köln zu werden. Seltsam.

In der Welt der deutschen Soaps ist offensichtlich kein Platz für Leibesübungen. Was dem Zuschauer da in den letzten zehn Jahren als „Sport“ verkauft wurde, ist schlichtweg ärmlich und beschränkt sich auf Lindenstraße- Einkaufsbummel mit dem Fahrrad, nackte Körper im „Verbotene Liebe“-Fitneß-Studio und drei Folgen Motorradrennen in „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“.

Lachhaft! Vor allem letzteres. Der Zuschauer mit Soap-Erfahrung weiß genau, daß Schönling Heiko Richter sich weiland nur auf die Crossmaschine gesetzt hat, um zwei Folgen später höchst dramatisch damit auf die Fresse zu fliegen. So was hat mit Sport herzlich wenig zu tun, sondern soll schlicht die Dramatik ins Unerträgliche steigern. Tut es aber gar nicht, weil sowieso jeder weiß, was Heiko passieren wird. Oder: Julia von Anstetten aus „Verbotene Liebe“ will reiten – und plotzt vom Pferd. Was sonst?! Felix Härtel im „Marienhof“ fährt Inlineskaters – und rollt vors Auto. Logisch! In Langzeitserien muß Sport noch Mord sein!

Beim Fußballspielen sterben die wenigsten, also wird das aus Gründen fehlender Dramatik ausgespart. Gut, angeblich geht Iffi Zenker aus der „Lindenstraße“ jeden Donnerstag zum Volleyball. Aber haben wir sie dort jemals gesehen? Nein! Wir sehen sie immer nur, wie sie sich zusammen mit Klaus Beimer tellerweise Spaghetti reinstopft. Jetzt ahnen wir auch, warum die Dame so fett geworden ist: Die Drehbuchautoren verbieten ihr den Sport!

Das Fitneß-Studio der „Verbotenen Liebe“ ist auch so was: Rumstehen tut es, aber benutzt wird es nicht. Zumindest nicht von den Hauptdarstellern. Die kommen höchstens mal reinspaziert, haben ein Handtuch über die Schulter geschwungen und fangen Krach mit dem Inhaber an, weshalb sie sofort wieder heimgehen müssen.

Das ist kein Sport.

1986 gab es in der „Lindenstraße“ mal den Tennislehrer Nossek, und Tanja (damals noch Schildknecht) wurde als junges, erfolgversprechendes Tennistalent gehandelt. Aber haben wir die beiden je auf dem Court gesehen? Wahrscheinlich kann Tanja in Wirklichkeit nicht mal den Schläger richtig halten! Und daß der „Lindenstraße“-Stammtisch vom „Akropolis“ letzten Sommer fanmäßig rausgeputzt und wimpelschwenkend zur EM nach England gefahren ist, war auch eine Farce: Niemals haben wir Erich Schiller, Olli Klatt oder Hajo Scholz selbst Fußball spielen sehen. Und die beiden fetten Klings schon gar nicht!

So gesehen ist deren Fettleibigkeit wenigstens realistisch. Um so verwunderlicher ist es, daß die Teenie-Schwärme aus „Verbotene Liebe“, „Unter uns“ oder „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ durch die Bank muskelgestählte, durchtrainierte, „Wir machen, daß die Fans in Ohnmacht fallen“-Körper ihr eigen nennen. Wie machen die das nur, wo sie doch auf dem Bildschirm noch nie geschwitzt haben? Und das Wort „Sportverletzung“ vermutlich in der Mitte mit „f“ schreiben?

Trainieren die heimlich? Spielt Ramon Basketball? Geht Tina schwimmen? Steht im „Marienhof“ eine Hantelbank, von der keiner weiß? Falls dem so ist, sagt es uns! Wir lachen mit euch; wir leiden mit euch. Also laßt uns auch mit euch zusammen Ball spielen! Wir Fans fordern Sportbekenntnisse! Jetzt!