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„Mykonos“-Fatwa droht

■ Iranische Kleriker vergleichen Anklage mit den „Satanischen Versen“

Qom/Bonn (AFP/taz) – Iranische Geistliche haben den drei Bundesanwälten im Berliner „Mykonos“-Prozeß mit einem Mordaufruf gedroht. Bei einer Kundgebung in der den Schiiten heiligen Stadt Qom verabschiedeten mehrere tausend Geistliche und Koranstudenten gestern eine Erklärung, wonach die von der Anklage in Berlin erhobenenen „Beleidigungen“ gegen den Iran „in dieselbe Kategorie fallen“ wie das Buch „Die Satanischen Verse“ des mit einem religiösen Todesurteil bedachten britischen Schriftstellers Salman Rushdie.

„Die Söldner-Staatsanwälte müssen für diesen Verrat und dieses Verbrechen die höchste Sühne verbüßen“, hieß es in der Erklärung der Demonstranten in Qom. Unter den Protestierenden waren auch der Gouverneur der Stadt und mehrere Parlamentsabgeordnete. „Wenn diese dreckigen faschistischen Ankläger sich nicht für ihre Beleidigungen unserer heiligen Werte entschuldigen, werden wir sie verurteilen wie Rushdie“, skandierte die Menge. Gegen Rushdie hatte Irans Revolutionsführer Ajatollah Chomeini 1989 eine Fatwa verhängt – einen religiös verbrämten weltweiten Aufruf an alle Muslime, den Schriftsteller zu ermorden.

In Bonn sagte der Pressesprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Erdmann, gestern zu den Ereignissen in Qom, seinem Ministerium sei die Erklärung bisher nur aus den Medien bekannt. Wenn tatsächlich eine solche Drohung ausgesprochen worden sei, „dann weisen wir sie auf das Entschiedenste zurück und warnen alle verantwortlichen Stellen in Iran vor einer weiteren Eskalation“.

Erdmanns Hausherr Klaus Kinkel verkündete unterdessen eine Veränderung der Sprachregelung im Umgang mit den Machthabern im Iran. Der bisher von ihm verwendete Begriff des „kritischen Dialogs“ habe einen „überzogenen Symbolwert“ bekommen, sagte der Außenminister. In Zukunft werde er von Politik der „aktiven Einwirkung“ sprechen.

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