Die Testsiegerelite

■ Endlich ist die Zeitschrift für den konsumorientierten Laien da: "plus" ist billiger als "test" - und auch viel billiger gemacht

„Maßgebend in allen Zweifelsfällen“, prahlte die Mannheimer Dudenredaktion so lange, bis ausgerechnet Bertelsmann dem Zentralorgan deutscher Orthographiezweifler das Monopol streitig machen durfte. Entsprechend maßgebend war für die qualitätsbewußten Pfennigfuchser im Lande bisher auch die Stiftung Warentest. Geradezu ex cathedra verkündete sie in ihrer hauseigenen Zeitschrift test Monat für Monat, was der Mensch getrost kaufen und benutzen dürfe und was nicht.

Doch in letzter Zeit boomt die Verbraucher-Presse. Bald schon will der Springer-Verlag mit Netto (Arbeitstitel) eine Art Geld-Bild auf den Markt werfen, und schon seit letztem Donnerstag liegt neben dem altehrwürdigen test-Heft plus – „Das aktuelle Verbrauchermagazin“ im Regal. Herausgegeben vom Verlag Motor-Presse Stuttgart, der u.a. für so interessante Spezialtitel wie die Lastauto- und Omnibusillustrierte lastauto omnibus, die Handyzeitschrift connect und das Männergesundheitsmagazin Men's Health verantwortlich zeichnet. Zumindest in der Kategorie Preis liegt „plus“ eindeutig vorne, macht es sich doch zum halben test-Preis von 3,20 DM sozusagen schon beim Kauf bezahlt.

Dafür bietet das im Focus-Design gestaltete Heft mit einer Startauflage von 500.000 Exemplaren (erst vom Frühjahr 1997 an soll es monatlich in einer Auflage von 250.000 erscheinen) der interessierten Konsumentenelite so manch interessante Information.

Mit Handy am Brotbackautomaten

Zum Beispiel wo man heutzutage noch ein TV-Testbild ausfindig macht, daß man mit einem Handy endlich nicht mehr Gefahr läuft, die Geburt seines Kindes zu verpassen, oder wie viele Brote man backen muß, bis sich der eigene Brotbackautomat amortisiert hat; angeblich 100, aber gewiefte Kopfrechner, die den täglichen Fladen beim türkischen Bäcker kaufen, kommen eher auf 650,7 (Diese Angabe bezieht sich auf den Testsieger „Panasonic SD-200“).

Überaus praktisch und überzeugend auch die Entdeckung, daß sich in plus ganzseitige Anzeigen derjenigen Firmen wiederfinden, deren Fabrikate wenige Seiten zuvor zum Testsieger gekürt wurden. So behält man leicht den Überblick. Für „nicht vertretbar“ hält test-Chefredakteur Hans-Dieter Lösenbeck eine derartige Verquickung von Verbraucherinformation und Werbung und ist, wie er sagt, regelrecht froh darüber, daß ihm die test-Satzung untersagt, überhaupt Anzeigen zu schalten. Dafür bekommen die Berliner Kundenberater jährlich etwa 13 Millionen Mark Unterstützung vom Bund.

Der Chefredakteur von plus, Werner W. Klingberg (vormals Chefredakteur beim Burda-Flop Forbes und erfolgreicher Entwickler der Zeitschrift Finanz test), sieht das anders. Er hält solcherlei moralische Skrupel für unzeitgemäß, schließlich sei seine Zeitschrift ohnehin nicht für Leser vom Typ „Berufsverbraucher“ konzipiert, sondern für konsumorientierte Laien. Gleichzeitig jedoch verläßt sich Klingberg auf das Urteilsvermögen seiner Klientel und deren Vertrauen in die Seriosität von plus, weswegen er ausführliche Erläuterungen zu Testverfahren und -bedingungen auch für entbehrlich hält. Ein Informationsbedarf, wie ihn die Stiftung Warentest noch immer altväterlich unterstelle, bestehe heutzutage in weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr. Mit Verbraucherberatung hat plus denn auch buchstäblich nichts mehr zu tun: Seite um Seite füllen tabellarische Testauswertungen, dazu Minimaltexte, die den Lesern mit Vorliebe nahebringen, wie nützlich die getesteten Produkte sind und wie empfehlenswert ihre Anschaffung an sich. Wenn den Leser etwas tatsächlich nicht interessiere, so Klingberg, dürfe er gern weiterblättern. Ob er dabei bedacht hat, wie schnell so etwas bei 100 Seiten plus gehen kann? Christoph Schultheis