: Kulinarische Gerichtsentscheidung
Der türkische Spezialitätenkoch Ali Seydi Ö. darf in Hamburg bleiben ■ Von Elke Spanner
Sich den Bauch mit Döner, Falafel oder Börek vollschlagen, und das auch noch beim Lieblingskoch – das Hamburgische Oberverwaltungsgericht bewies Sinn für kulinarische Freuden. Am vergangenen Montag bestätigte es eine Eilentscheidung der unteren Gerichtsinstanz vom September und fegte eine gourmetfeindliche Beschwerde der Ausländerbehörde vom Tisch. Der türkische Spezialitätenkoch Ali Seydi Ö. muß danach nicht die Bundesrepublik verlassen, sondern bekommt eine erneute Arbeitserlaubnis für seine Köchelei im „Arkadasch“ - und dadurch ein Bleiberecht in der Hansestadt.
Um Ali Seydi Ö. das unbefristete Bruzzeln und Würzen zu erkämpfen, bemühte dessen Anwalt Mahmut Erdem das Europarecht. Mit Erfolg, denn anders als die Ausländerbehörde erklärte das OVG dies nun für anwendbar.
Nach dem „Assoziationsratsabkommen EWG-Türkei“ von 1986 haben AusländerInnen, die in einem EU-Mitgliedsstaat ein Jahr lang „ordnungsgemäß“ beschäftigt waren, das Recht auf eine Verlängerung ihrer Arbeits- und damit auch der Aufenthaltserlaubnis. Mag ja sein, hielt die Ausländerbehörde dagegen, aber bei türkischen Spezialitätenköchen ist das anders: Sie reisen speziell zum Zweck der Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik ein. Das ist mittlerweile höchst selten für MigrantInnen, die ihr Visum nur erhalten, wenn vakante Stellen nicht von Deutschen oder EU-AusländerInnen besetzt werden können – was beim Kochen von türkischen Spezialitäten schwerlich behauptet werden kann. Damit fallen sie allerdings unter eine Verordnung, nach der sie nur ein Aufenthaltsrecht für maximal drei Jahre bekommen, und wer nur drei Jahre hier arbeite, so die Folgerung der Ausländerbehörde, gehöre nicht „ordnungsgemäß“ zum „regulären Arbeitsmarkt“. Europarecht ade.
Diese Argumentationskette durchbrach das Oberverwaltungsgericht jedoch. Auch wer nur befristet hier arbeitet, tut dies „ordnungsgemäß“, argumentierten die RichterInnen. Fazit: Ali Seydi Ö. erfüllt die Voraussetzungen des Assoziationsratsabkommens. Und das Europarecht geht dem restriktiveren Bundesrecht vor.
Nach einer gleichlautenden Verwaltungsgerichtsentscheidung im September hatte der Sprecher der Ausländerbehörde, Gunnar Eisold, die Frage in den Raum gestellt, ob türkische Spezialitätenköche nun überhaupt noch ein Einreisevisum erhalten sollten, das ihnen faktisch unbefristet die Tür in deutsche Lande öffnet. Nach der jetzigen Gerichtsentscheidung kündigte er nur an, seine Behörde habe das weitere Vorgehen in dieser Sache zu prüfen.
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