: „Belo weiß, daß er in Ost-Timor gebraucht wird“
■ Interview mit José Ramos-Horta, ebenfalls Friedensnobelpreisträger 96. Der Sprecher der osttimoresischen Widerstandsbewegung lebt seit 21 Jahren im portugiesischen Exil
taz: Herr Ramos-Horta, wie verhalten sich die indonesischen Machthaber in Ost-Timor, seit sie wissen, daß die Weltöffentlichkeit stärker auf sie schaut?
José Ramos-Horta: Das Verschwindenlassen von Personen, die willkürlichen Verhaftungen und die Folterungen gehen unverändert weiter. Geändert hat sich etwas bei Demonstrationen; Militär und Polizei versuchen nicht mehr so eindeutig, sie zu verhindern. Das ist aber kein Zeichen von Öffnung, sondern eher von der Ohnmacht der Militärs gegenüber einer selbstbewußteren Haltung der Bevölkerung. Das Militär kann Demonstrationen für Bischof Belo nicht verhindern und weiß, daß, wenn es zu weit geht, es zu einem Aufstand kommt.
Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitierte Belo mit der Äußerung, das indonesische Militär behandele Ost-Timoresen wie „räudige Hunde“. Belo mußte sich davon distanzieren. Halten Sie diese Bemerkung für angemessen?
Sie ist sogar noch eine Untertreibung in dem Sinn, daß der Bischof wohl nicht weiß, wie Hunde in Deutschland behandelt werden. Denn bei Ihnen werden Hunde besser behandelt als die Menschen Ost-Timors durch die Indonesier. Belo war also noch höflich. Wie würden Sie denn eine Behandlung bezeichnen, die auf Terror, Mord, willkürlichen Verhaftungen, Folter, Vergewaltigung, Hinrichtungen, Verschwindenlassen, wirtschaftlicher Marginalisierung und anderen Formen menschlicher Entwürdigung beruht?
Ist Belos Dementi ein Zeichen, daß er unter großem Druck steht?
Natürlich. Als er nach Jakarta fuhr, demonstrierten 3.000 Hooligans gegen ihn. Das waren die gleichen, die im Juli das Hauptquartier der Oppositionsführerin Megawati Sukarnoputri stürmten. Das Suharto-Regime benutzt solche Hooligans, die mit rechtsradikalen Skinheads in Deutschland vergleichbar sind. Diese Rechtsextremen werden von der indonesischen Regierung bezahlt, um die Menschen zu terrorisieren. Es gibt in Indonesien viele Arten des politischen Drucks, den sich Menschen in einem freien Land wie Deutschland kaum vorstellen können.
Sie meinen also, Jakarta hat Bischof Belo quasi einen Maulkorb verpaßt?
Das ist das Ziel der Einschüchterung der letzten Wochen. Wenn Belo in Europa zu deutlich Stellung nimmt, wird er nicht nach Hause zurückkehren können. Bischof Belo weiß, daß er in Ost-Timor gebraucht wird. Deshalb muß er vorsichtig sein.
Wie bewerten Sie das bisherige Engagement der deutschen Regierung für das Selbstbestimmungsrecht Ost-Timors?
Weder positiv noch negativ. Die deutsche Regierung hat sich bedeckt gehalten. Weil sie aber wichtige Beziehungen zur indonesischen Regierung unterhält, hätte sie die diplomatischen Kanäle aktiver nutzen sollen, damit die Menschenrechte in Ost-Timor gewahrt werden und Indonesien seine Truppen abzieht.
Was erwarten Sie von Ihren Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung ab dem 16. Dezember?
Ich hoffe, Deutschland nutzt seinen Einfluß auf die Regierung Suharto, um ihr klarzumachen, daß die einzige Lösung des Konflikts nur die Anerkennung des ost-timoresischen Selbstbestimmungsrechts sein kann. Ich will über unseren Friedensplan sprechen und werde vorschlagen, Deutschland möge mit Portugal dafür sorgen, daß die EU-Länder bei der Sitzung der UN-Menschenrechtskommission im März 97 darauf drängen, daß diese eine Resolution zu Ost-Timor verabschiedet, um die dortigen Menschenrechtsverletzungen sowie die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Indonesien scharf zu verurteilen.
Der Abteilungsleiter für Südostasien und Pazifik im Auswärtigen Amt, Jürgen Staks, hat einmal gesagt, es wäre ökonomischer Unsinn, wenn Ost-Timor unabhängig würde, die Inselhälfte sei unter indonesischer Herrschaft besser dran. Wie sagen Sie dazu?
21 Jahre indonesischer Herrschaft haben mehr als 200.000 Tote, Abertausende Folteropfer, Zehntausende Waisenkinder, Tausende Witwen zur Folge gehabt. Soll das heißen, Ost-Timor geht es unter indonesischer Herrschaft besser? Es gibt nicht eine einzige indonesische Fabrik in Ost- Timor. Von welcher Entwicklung wird hier gesprochen? Schulunterricht in Indonesisch? Das ist Kolonialismus in Reinform, da die ost- timoresische Sprache Tetum nicht unterrichtet wird. Das Recht des Volkes auf Selbstbestimmung kann nicht mit Straßen gekauft werden, die dem indonesischen Militär zur Besetzung des Landes dienen. Ost-Timor ist potentiell reich. Wir haben Öl, Gas, Marmor, Kaffee. Auch der Tourismus kann entwickelt werden.
Wie wollen Sie das Regime zu Zugeständnissen bewegen?
Wir können nichts tun, solange Indonesien, das ja als Besatzungsmacht im Land ist, nicht gewisse Schritte zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in Ost- Timor unternimmt. Nur dann können wir über den künftigen Status des Territoriums sprechen.
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