piwik no script img

"Die Leihoma wär' vorne"

■ Jörg Howe, der neue Chefredakteur von Sat.1, über Boulevardjournalismus im Fernsehen, seine Liebe zur "Bild"-Zeitung und das tägliche Gedrücktwerden

Seit Monaten wird bei Sat.1 fieberhaft an einem neuen Boulevardmagazin für das Abendprogramm gestrickt. Mit „Blitz“ will Sat.1 vom 6. Januar an den Marktanteil am frühen Abend erhöhen. Besonders die von Uli Meyer präsentierte Nachrichtensendung „18:30“ verzeichnet seit langem schlechte Quoten. „Blitz“, das Monica Lierhaus moderieren wird, sollte ursprünglich „Bild-TV“ heißen, doch der Springer-Verlag (der an Sat.1 beteiligt ist) machte einen Rückzieher. Zuständig für die Entwicklung von „Blitz“ ist Jörg Howe, der seit dem 1. Dezember auch als Chefredakteur für den gesamten Infoblock von 17.30 bis 19 Uhr verantwortlich ist. Der 39jährige Howe war schon einmal Leiter der Sat.1-Nachrichtenredaktion, bevor er 1993 zum MDR wechselte und dort das Magazin „Brisant“ betreute.

taz: Haben Sie heute schon die „Bild“-Zeitung ausgewertet?

Jörg Howe: Heute noch nicht. Aber eigentlich lese ich die Bild jeden Morgen. Sie ist meine Leib- und-Magen-Lektüre.

Wo bekommen Sie denn sonst noch Themen für „Blitz“ her?

Wir werden die ganze Sat.1-Infrastruktur nutzen: Regionalstudios, Frühstücksfernsehen und Angebote von Produktionsfirmen.

Und womit hätte „Blitz“ heute aufgemacht?

Mit einer Geschichte über die lustigen Menschen von Windsor, die ja immer Ärger miteinander haben. Und dann gibt es noch die sensationelle Geschichte von der Oma, die für ihre eigene Tochter zur Leihmutter wurde. Die hätten wir auch ganz weit vorn gehabt.

Das klingt wie ein Nachklapp zu RTLs „Explosiv“, das ja mittlerweile wesentlich moderater ist als am Anfang. Kommt Sat.1 nicht wieder viel zu spät?

Das glaube ich nicht. Wir wollen pfiffigen Boulevardjournalismus machen, und wir haben auch die richtigen Leute dafür. Es soll auch mal was zu lachen geben. Vom Niveau her wird „Blitz“ keins der vorhandenen Formate unterschreiten. Außerdem glaube ich, daß der Markt für Boulevardmagazine noch lange nicht am Ende ist, auch wenn es da und dort eine Delle gegeben hat.

Wird Monica Lierhaus die neue Barbara Eligmann von Sat.1?

Sie ist ein ganz anderer Typ Frau. Sie war Reporterin für verschiedene Regionalstudios. Mit ihr haben wir zum erstenmal ein Sat.1- Eigengewächs, das nun bundesweit präsentiert wird.

Haben Sie eigentlich keine Angst, daß die Leute bei den neuen Ladenschlußzeiten um 18 Uhr lieber einkaufen als Fernsehen?

Um die Zeit schauen immer noch eine Menge Leute fern.

Was hat denn Ihr Vorgänger Jörg van Hooven falsch gemacht?

Ich glaube, daß Sat.1 insgesamt viel mehr Kontinuität braucht. Vor allem personell.

Das heißt, daß auch Uli Meyer weiter die Sat.1-Nachrichten „18:30“ präsentiert?

Uli Meyer bleibt uns auf jeden Fall erhalten.

Wird denn „18:30“ jetzt seriöser, weil „Blitz“ die Emotionen vorwegnimmt?

„18:30“ muß besonders im hinteren Teil seriöser werden.

Sind Sie eigentlich sauer, daß Springer die „Bild“ zu schade war, um sie auf Sat.1 zu verheizen?

Ich kann die Vorsicht verstehen. Die Bild-Marke ist für Springer immens wichtig. Ich habe aber Hoffnung, daß das zu einem späteren Zeitpunkt noch klappt. Die Bild ist mit ihrer Art von Boulevardjournalismus einfach supererfolgreich.

Sind Sie eigentlich heute schon gedrückt worden?

Sogar mehrfach! Hier sind so viele nette Kollegen, da kommt das schon ab und zu vor. Interview: Oliver Gehrs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen