: Katastrophe für kleine Bands
■ Die seit kurzem bestehende Steuer für ausländische Künstler verschärft die Situation für kleine Bands und Promotoren. Noch keine Auswirkungen auf die Eintrittspreise
Warum, so mögen sich einige gefragt haben, pilgerten im vergangenen Sommer Scharen von Menschen außer Landes, um Michael- Jackson-Konzerten beizuwohnen? Konnte der Affen-Fan nicht auch bei uns spielen?
Der Grund heißt „Ausländersteuer“, gemeint ist vielmehr ein neues Gesetz zur bereits seit einigen Jahren bestehenden Steuer, die ausländische Künstler bei Auftritten hierzulande an das zuständige Finanzamt zahlen müssen. Sie betrifft alle nichtdeutschen Künstler, die auf deutschen Bühnen auftreten. Der neuen Regelung zufolge müssen nichtdeutsche Interpreten anstatt wie bislang 15 Prozent ihrer Bruttoeinnahmen von Konzerten in Deutschland nun 25 Prozent an bundesdeutsche Finanzämter abführen.
Ingolf Wilsky, Ostberliner Promotor, zweifelt am Verstand im Bundesfinanzministerium: „Das ist doch ein Wahnsinn“, findet der freischaffende Musikmanager. Gerade für ,kleine‘ Bands, die vor hundert Leuten spielen und die im Wohnmobil mit Anhänger ihre Tournee bestreiten, kann die Steuer katastrophale Auswirkungen haben. Solche Bands am Anfang ihrer Karriere sind bereits vor 1996 bei Deutschland-Auftritten nur mit Glück auf Null gekommen. Nun aber müssen die Gruppen aus der eigenen Tasche draufzahlen, wenn sie in Deutschland auftreten wollen. Die Gelackmeierten sind entweder die Band – oder aber der Promotor. Dagegen sichert sich Wilsky ab: „Das hängt vom Vertrag ab. Die meisten Clubs wollen mit der Ausländersteuer nichts zu tun haben. Dann müßte ich aus der eigenen Tasche zahlen. Aber ich schreibe in meine Verträge, daß die Band die Steuer selbst tragen muß.“ Genau das können sich viele neue Hoffnungen am Musikhimmel nicht leisten.
Während sich die neue Steuer bundesweit offenbar in erhöhten Eintrittspreisen für Konzerte niederschlägt, ist dies laut Wilsky in Berlin bislang nicht der Fall. „Wir wissen, daß die Leute preislich schon jetzt überfordert sind. Das Publikum ist sehr selektiv geworden.“
Die Bookerin vom SO 36 befürchtet, daß sich die gesamte Berliner Konzertlandschaft langsam, aber sicher von kleinen Clubauftritten entfernen wird. Oder aber die Zuschauer müssen sehr tief in die Tasche greifen. Denn um kostendeckend zu arbeiten, werden die Gagenforderungen immer höher. „Da überlegt man sich schon zweimal, ob ein Konzert überhaupt noch veranstaltet werden kann.“
Noch ist der deutsche Musikmarkt als der zweitgrößte weltweit nach den USA heiß begehrt. Hiesige Bühnen sind von jeher eine wichtige Stufe auf der Karriereleiter. Gerade solche Gruppen ohne Plattenvertrag, ohne Hits im Radio wollen sich von der Bühne aus ein kaufkräftiges Publikum erspielen. So geschehen etwa bei der Band The Courage of Lassie. „Die Jungs hatten zu Hause in Kanada gerade ihre Wohnungen aufgegeben, als sie nach Deutschland kamen, um hier ausgiebig zu touren. Sie waren quasi obdachlos. Da konnten sie eigentlich nicht noch diese Steuer bezahlen, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig“, berichtet Ingolf Wilsky über die mittlerweile nach Kanada zurückgekehrten Musiker.
Bei Tourneen von schon etwas bekannteren Gruppen tragen die ausländischen Veranstalter die Steuerlast mit. Wilsky: „Von englischen Veranstaltern habe ich schon gehört: Deutschland kann mir gestohlen bleiben.“ Großbritannien kommt für den Künstler als Steuerzahler offenbar dem Paradies nahe. Hier kann der Steuerrummel – mit tatsächlichen Betriebskosten und geringeren Abzügen – auf Wunsch schon vor dem Konzert abgewickelt werden. Der Vorteil: Die Gruppen wissen exakter zu kalkulieren.
Daß das 1996er Gesetz so nicht bestehen bleiben darf, zeigen eher publikumswirksamere Beispiele wie der Tour-Boykott von Michael Jackson. Ähnliches wird von dem, der früher Prince hieß, gemunkelt. Bundesfinanzminister Theo Waigel bekam nach solch prominenten Namen offenbar kalte Füße und machte einen Vorschlag zur Güte: Die Künstler könnten sich mittels Steuererklärung die Differenz zwischen pauschalierten und tatsächlichen Kosten nach Jahresfrist zurückzahlen lassen. Schade nur, daß The Johns aus New York oder The Babes aus Manchester ohne (honorarpflichtigen) Steuerberater keine deutsche Steuererklärung abgeben können und sich vielleicht zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung bereits aufgelöst haben.
Doch die Mühlen von Parlament und Bürokratie mahlen bekanntlich langsam, das neue Gesetz läßt auf sich warten. Derweil gehen The Johns und The Babes auf No-budget-Tour und spielen eben weiter auf den alten Gitarren. Katharina Frier
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