: Jagdszenen im Gotteshaus
■ Tierrechtler-Protest gegen Hubertusmesse in Hittfelder Kirche endete vor dem Kadi, und der urteilte mal so, mal anders
Merle G. hatte Glück. Mit Freispruch endete gestern der Prozeß gegen die 20jährige Tierrechtlerin vor dem Amtsgericht Winsen/Luhe. Die gleichaltrige Jenny A. war hingegen bereits im Mai vergangenen Jahres wegen „Störung des Gottesdienstes“ zu zwei Tagen Jugendarrest verurteilt worden.
30 bis 40 zum Teil mit Kapuzen und Palästinensertüchern vermummte TierrechtlerInnen hatten im Oktober 1995 mit Plakaten und Trillerpfeifen die Hubertusmesse in der Hittfelder St. Mauritiuskirche gestört. Die versammelten Grünröcke des „Hegering Hittfeld der Jägerschaft Harburg-Land“ hingegen verteidigten die Huldigung ihres Schutzpatrons: Es kam zu Rangeleien, die Fäuste flogen.
Zu gern hätten die Geschwister Georg (18) und Joachim (17) von B. auch die ihnen bekannte Merle (“die gehört zum linken Spektrum auf unserer Schule“) für 48 Stunden hinter Gittern gesehen. Dafür waren die Aussagen der Jagdhorn-Bläser vor Gericht aber zu dürftig. Die Jung-Jäger konnten sich zwar an die „schäbigen und zerrissenen Klamotten“ von Merle G. erinnern, aber nicht daran, ob sie die Angeklagte nur vor oder als Störerin auch in der Kirche gesehen hatten. Auch der Polizeibeamte J. konnte sich an die junge Frau nicht erinnern. In Anbetracht der ungenügenden Beweislage sprach Jugendrichter Neumann die Schülerin frei.
„Ein strenges Zuchtmittel“ hatte der Richter dagegen im Fall Jenny A. für angemessen gehalten. „Sie ist nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Joachim von B. als eine Störer identifiziert“, hieß es im Urteil. Die Religionsausübung stehe nach Artikel 4 des Grundgesetzes unter besonderem Schutz des Staates. Spätestens seit Zeiten Friedrichs des Großen, so Richter Neumann, sei es Allgemeingut, daß jeder nach seiner Facon selig werden könne. Volker Stahl
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