Bewag-Verkauf mischt SPD auf

■ Am Verkauf von Landesvermögen zeigt sich eine gewandelte Tendenz der Sozialdemokraten: Weniger Staat, dafür mehr Regulierung in der Wirtschaft. Borghorst verliert an Einfluß, Bielka gewinnt

Die Warnung der Jusos kam zu spät. Beim heutigen SPD-Sonderparteitag werde nicht über das Schicksal einer Person (nämlich die der Finanzsenatorin Fugmann- Heesing) entschieden, versuchten die Jungsozialisten gestern die SPD vor einer „Erpressungstaktik" der Parteiführung zu bewahren. Nun verschieben sich die politischen Gewichte in der SPD. Eine der Galionsfiguren des rechten Britzer Kreises der SPD, Hermann Borghorst, hat erheblich an Einfluß eingebüßt. „Borghorst steht mit der Ablehnung des Bewag- Verkaufs allein", bestätigen Parteifreunde.

Weil Borghorst sowohl im Landesvorstand als auch bei den Britzern mit seinem Veto gegen den Totalverkauf des Energieversorgers abblitzte, versucht er nun den Parteitag für seine, wie er sagt, „überzeugende Alternative zum Bewagverkauf" zu gewinnen. Anstatt die Bewag komplett zuverscherbeln, will Borghorst eine Sperrminorität von 25 Prozent der Aktien plus einer Stimme halten. Er plädiert für ein neues Beteiligungsmanagement auf der Grundlage von Minderheitsbeteiligungen des Landes. So wirtschaftsliberal sich Borghorsts Änderungsantrag für den Parteitag liest, zielt er damit doch auf staatliche Arbeitsmarktpolitik über öffentliche Unternehmen. Für diesen Vorschlag aber, so scheint es, gibt es in der SPD immer weniger Begeisterung.

Das von Borghorst hinterlassene Machtvakuum wurde schnellgeschlossen - pikanterweise von Finanzsstaatsekretär Frank Bielka. Innerparteilich hat er an Gewicht gewonnen und nimmt teil an der Neusortierung der politischen Strömungen in der Partei. Mit ihm geht die Rechte auf den wirtschaftsliberalen Kurs der Finanzsenatorin. Fugmann-Heesing will nicht, daß der Staat als Wirtschaftssubjekt auftritt. Die Spieler, meint sie, sollten sich von ihrem wirtschaftlichem Interesse leiten lassen. Der Staat, da ist sie sich mit Umweltsenator Strieder einig, steckt lediglich den Regulierungsrahmen - sprich: er gibt die politischen Ziele per Gesetz vor.

Der vom Landesvorstand der SPD verabschiedete Leitantrag steht für diesen Kurswechsel sozialdemokratischer Politik. Mit der Bewag wird das lukrativste öffentliche Unternehmen des Landes herausgebrochen. Der Rest -der Gasversorger Gasag, die Hafen-, die Wasser- sowie die Verkehrsbertriebe - sollen nach dem Willen des Landesvorstandes in eine Holding eingebracht werden. Diese, heißt es, „ist als Aktiengesellschaft zu führen und kann teilprivatisiert werden." Mit dieser Sprachregelung soll auf dem heutigen Parteitag Zustimmung gewonnen werden. Tatsächlich bereitet sich inzwischen die gesamte SPD auf einen Paradigmenwechsel ihrer Politik vor: Selbst in der Linken wird hinter vorgehaltener Hand Zustimmung zu weiteren Privatisierungen signalisiert. Die SPD ist auf dem Weg dazu, den Tiger Kapitalismus nicht über Beteiligungen zu reiten, sondern ihn über regulierende Gesetze in ein Freigehege zu sperren. Christian Füller