: Mandat niedergelegt worden
Statt-Partei-Affäre: Meyer-Verheyen tritt zurück, doch immer neue Verquickungen zwischen Politik und Geschäft tauchen auf ■ Von Silke Mertins
Mit großer Erleichterung nahm die Statt Partei gestern die Mandatsniederlegung der Bürgerschaftsabgeordneten Rotraut Meyer-Verheyen auf. Die Politikerin zog damit die Konsequenzen aus den Vorwürfen, Mandat und private Geschäfte vermischt zu haben. Sie hatte ihren von der Bürgerschaft bezahlten wissenschaftlichen Mitarbeiter Rudi Bäcker auch mit einem 580-Mark-Vertrag in ihrer HausmeyerÄ233z Hausverwaltung beschäftigt und damit gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen.
Auf Meyer-Verheyens Sitz kann nun ein Nachrücker Platz nehmen. Obwohl dritter auf der Liste, gilt der derzeitige Partei-Vize André Becker als wahrscheinlichster Kandidat. „Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen“, so der 24jährige Student gestern zur taz.
Rechtliche Schritte werden von der Bürgerschaftskanzlei weiterhin geprüft. Bestätigen sich die Filzvorwürfe auch formaljurstisch, muß die gestürzte Ex-Abgeordnete die Zuschüsse für ihren in Doppelfunktion beschäftigten Mitarbeiter – etwa 50.000 Mark – zurückzahlen. Auch die Rechtmäßigkeit der Mietzuschüsse für ihr Abgeordnetenbüro im Souterrain unter ihrer Wohnung ist noch nicht geklärt.
Meyer-Verheyen fühlt sich zu Unrecht beschuldigt. „Weder vor der Einstellung von Herrn B. noch später haben meine Abgeordnetenmitarbeiter Aufgaben in der Hausverwaltung wahrgenommen“, schrieb sie in ihrer Erklärung vom Sonntag. Doch auch das entspricht nicht der Wahrheit.
Die Vorgängerin des „Herrn B.“ setzte Meyer-Verheyen ebenfalls für Hausmeyer ein. Die 31jährige Gabriele B., die vom September 1994 bis Mai 1995 ihre Bürgerschaftsreferentin war, erledigte für die Hausverwaltung Schreibarbeiten für 20 Mark die Stunde. Für die außerparlamentarische Entlohnung erhielt sie von Meyer-Verheyen eine Quittung.
Die Mietangelegenheiten seien ihr „Stück für Stück untergejubelt“ worden, sagt Gabriele B. zur taz. Alle Hausmeyer-Akten sowie die EDV seien im Abgeordnetenbüro untergebracht gewesen. „Eine Trennung gab es nicht“, sagt sie.
Sie bestätigt damit im vollen Umfang die Aussagen ihres Nachfolgers Rudi Bäcker, den Meyer-Verheyen als „psychisch beeinträchtigt“ hinzustellen versuchte. „Den hat sie genauso systematisch fertiggemacht wie mich“, so Gabriele B. Meyer-Verheyen habe sie ständig angebrüllt und heruntergemacht: „Es war ein Alptraum.“
Das Nebenzimmer des Abgeordneten-Hausverwaltungs-Büros wurde außerdem als Übernachtungsquartier für ihre Töchter genutzt. Nützlich sind diese zudem bei Vermietungen. In mindestens einem Dutzend Mietverträge tauchen Meyer-Verheyens Töchter als möglicher Kündigungsgrund auf: „Wir haben alle Eigenbedarfsklauseln“, so die Mieterin Gabriela Hagemann aus dem Eickhoffweg 39, wo fünf der acht Parteien wegen Mietwuchers klagen. Klägeranwalt Ingo Lill: „Ein höchst merkwürdiger Vorgang.“
Sowohl er als auch sein Anwaltskollege Bonk, der Mieter aus dem Hausmeyer-Haus in der Kremperstraße 11 vertritt, hatten immer nur mit Meyer-Verheyen zu tun. Die aber behauptet, ihrem Mann gehöre die Firma, die Vorwürfe der Verquicklung seien also haltlos. „Ich habe Meyer-Verheyen verklagt“, so Lill, und nicht deren Gatten.
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