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Tod bleibt ein Meister aus Deutschland

Deutsche Pharmakonzerne wie Hoechst und BASF verkaufen in Brasilien lebensgefährliche Medikamente für Kinder. In Deutschland sind Mittel wie „Kinder-Aspirin“ verboten  ■ Von Werner Paczian

Münster (taz) – Für deutsche Pharmakonzerne zählt ein Kinderleben in der Dritten Welt weniger als daheim. Das Frauenmagazin Amica belegt in seiner Februar-Ausgabe am Beispiel Brasilien, daß deutsche Firmen gefährliche Kindermedikamente vermarkten. So verkauft Hoechst rezeptfrei „Novalgin“ für Säuglinge ab drei Monaten gegen banale Schmerzen und Fieber. Das Mittel enthält den Wirkstoff Metamizol, der bei Kindern tödliche Nebenwirkungen haben kann. Das in Deutschland rezeptpflichtige „Novalgin“ wird in der Fachliteratur als absolutes Reservemittel gegen Tumorschmerzen und nach Operationen eingestuft, „soweit andere Maßnahmen nicht greifen“.

„Neosaldina“ von der BASF-Tochter Knoll ist ein Kombinationspräparat, das neben Metamizol noch Coffein enthält. In Brasilien empfiehlt Knoll sein Mittel „für Erwachsene und Kinder“. In Deutschland sind Metamizol-Kombis verboten. Tödliche Risiken birgt auch das Hustenmittel „Transpulmin Balsam“ von Asta Medica. Der deutsche Hersteller rät, hüstelnde Patienten ab sechs Monaten mit dem Balsam einzureiben. Für Säuglinge und Kleinkinder bedeutet das potentielle Lebensgefahr. „Transpulmin Balsam“ in Brasilien enthält Menthol, das bei Kindern zum Erstickungstod führen kann. In Deutschland gibt es extra für Kinder „Transpulmin Balsam“ ohne Menthol.

Problemlos kann man in Brasilien verschreibungspflichtige Mittel kaufen, ohne nach einem Rezept gefragt zu werden. Selbst verbotene Arzneien sind zu haben, samt Quittung mit Namensnennung. Beispiel: „Floratil ped.“ von Merck, ein Kindermittel gegen Durchfall mit einem unerlaubten Inhaltsstoff.

Gefährliche Arzneien deutscher Produzenten werden zudem ohne Warnhinweis beworben. So suggeriert ein Poster zu „Aspirina infantil“ eine fiebersenkende Wirkung. Bayer verschweigt, daß das harmlose „Aspirin“ gerade bei Kleinkindern mit fiebrigen Infektionen tödliche Hirn- und Leberschäden bewirken kann. Den deutschen Namensvetter „Aspirin Junior“ hat Bayer vom Markt genommen. Auf die Frage, ob Bayer für „Kinder-Aspirin“ wirbt, ohne auf die Gefahren hinzuweisen, verweigert der Konzern eine Antwort. Selbst die Angebotsliste von „action medeor“, größte deutschen Organisation für Arzneimittel-Exporte, enthält gefährliche Mittel. Einem Kinderhospital in Recife hat „action medeor“ neben Metamizolprodukten auch „Imodium“ angeboten. In Pakistan sollen an dem Antidurchfallmittel mindestens elf Kinder gestorben sein.

Amica berichtet auch über verkrüppelte Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft „Contergan“ geschluckt haben. Das berüchtigte Mittel ist eine deutsche Erfindung und wird in Brasilien unter dem Namen „Thalidomid“ für Leprakranke produziert. Obwohl die „Thalidomid“-Verpackungen zwischenzeitlich ein Symbol trugen, das einen durchgestrichenen, schwangeren Bauch zeigte, kam es zu neuen „Contergan“-Opfern. Manche Frauen hielten die Tabletten für ein Abtreibungsmittel.

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