: Die politische Suppe und der Überfall
■ Polizei verschwieg Aktion von Autonomen in Spandauer Polizeidirektion. Interessierte Polizeikreise versuchen daraus Kapital gegen die drohende Zentralisierung der Objektschützer zu schlagen
Die Geschichte ist der Polizeiführung so peinlich, daß sie darüber kein Sterbenswörtchen verlauten ließ. Aber in so einer großen Behörde ist auf Dauer nichts geheimzuhalten. Besonders dann nicht, wenn die eigenen Mitarbeiter aus dem Skandal ihr politisches Süppchen zu kochen versuchen. Im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, daß einer oder mehrere der 2.100 Wachpolizisten der Stadt die Öffentlichkeit informiert haben, um damit gegen ihre drohende Zentralisierung und Teilabwicklung zu protestieren.
Im Anschluß an eine Antifa- Demonstration gegen die schlagenden Verbindungen des Coburger Convents und der Deutschen Sängerschaft im Kongreßzentrum in der Normannenstraße waren am Sonntag, dem 5. Januar, rund 50 Personen in die Polizeidirektion 2 in Ruhleben gestürmt und hatten in den Fluren Graffiti gesprüht. Danach entkamen sie unerkannt.
Im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses beeilte sich Polizeipräsident Hagen Saberschinsky in der vergangenen Woche zu versichern, daß sicherheitsrelevante Bereiche von der Gruppe nicht bedroht gewesen seien. Wie brisant die Lage vor Ort wirklich war, erfuhr die taz jetzt aus einem als vertraulich gekennzeichneten Schreiben, deren Verfasser mit großer Sicherheit aus Kreisen der Wachpolizei kommen: „Generalstabsmäßig geplant und ausgeführt und durch eine Blitzaktion vollendet, endete ein noch nicht dagewesenes Husarenstück, das als Polizeiskandal der Nachkriegsgeschichte einmalig in Berlin Geschichte macht.“ (siehe Dokumentation auf dieser Seite).
Der Leiter des Führungsstabs in der Landesschutzpolizeidirektion, Alfred Markowski, glaubt, daß das Schriftstück von Polizeimitarbeitern verfaßt wurde, die über den Überfall Detailinformationen haben. „Der Verdacht drängt sich auf“, antwortete Markowski auf die Frage, ob wohl Wachpolizisten ihrem Ärger Luft gemacht hätten, indem sie diese Informationen öffentlich machten.
Unter den 2.100 Wachpolizisten, die vornehmlich zum Objektschutz eingesetzt werden, herrscht Unmut darüber, daß sie voraussichtlich noch in diesem Jahr beim ZOS (Zentraler Objektschutz) zu einer Einheit zusammengefaßt werden sollen. Außerdem müssen 500 Stellen eingespart werden, 350 bereits bis Ende 1997. Bislang waren die Wachpolizisten den einzelnen Direktionen zugeordnet. Ein Pilotversuch in drei Direktionen – darunter auch der in Spandau überfallene Polizeiabschnitt – soll Ende des Monats ausgewertet werden.
Die Polizeiführung verspricht sich von den Zentralisierung eine Effizienzsteigerung und eine bessere Koordination der Wachschutzaufgaben. Die Zentralisierung wird auch von der Consultingfirma Mummert und Partner (M&P) empfohlen, die die Polizei schon seit längerem auf ihre Wirtschaftlichkeit hin durchforstet. Ende 1995 waren 365 Wachpolizisten wegen Manipulation der Dienstpläne in die Schlagzeilen geraten. Bislang wurden in diesem Zusammenhang 14 Anklagen oder Strafbefehle erhoben.
Wachpolizisten stehen in der Polizeihierarchie ganz unten. Die Anwärter dürfen nicht älter als 35 sein und sind meist arbeitslose Handwerker. Wer es zur Anstellung in den Polizeidienst geschafft hat, darf Uniform und Colt tragen und auch Festnahmen machen, hat aber keine Ermittlungsbefugnis. Bei der geplanten Zentralisierung haben die Wachschützer die Gewerkschaft der Polizei und den Gesamtpersonalrat zwar auf ihrer Seite. Gegen die drohende Abschiebung zum Verkehrsdienst kämpfen sie jedoch allein. 120 aus ihren Reihen sollen Anfang April zur Parkraumbewirtschaftung abkommandiert werden, was einen monatlichen Gehaltsverlust von mehreren 100 Mark wegen Wegfalls der Erschwerniszulage bedeutet. Freiwillige sind aufgefordert, sich zu melden.
Die in dem vertraulichem Papier aufgestellte Behauptung, die Polizeiführung habe über den Überfall auf die Direktion 2 nur deshalb eine Nachrichtensperre verhängt, um die Einrichtung der ZOS nicht zu gefährden, wies Markowski entschieden zurück. „Das war für uns kein ehrenhaftes Problem, mit dem man von sich aus hausieren geht“, nannte er als Grund. Plutonia Plarre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen