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Bauarbeitgeber im Osten verlieren vor Gericht

■ Arbeitsgericht erklärt Kündigung der Tarifverträge in der ostdeutschen Bauwirtschaft für unwirksam. Unternehmen müssen die Tariferhöhungen zahlen

Wiesbaden (dpa/taz) – Im Streit um die fristlose Kündigung der ostdeutschen Bautarifverträge haben die Arbeitgeber eine juristische Niederlage kassiert. Das Arbeitsgericht Wiesbaden erklärte die Kündigung am Mittwoch für unwirksam. Es verurteilte den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie zur Einhaltung der mit der IG BAU und der DAG geschlossenen Verträge. Dabei geht es um eine 1,85prozentige Lohnerhöhung sowie die stufenweise Anhebung der Löhne und Gehälter auf Westniveau.

Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Der Verband der Bauindustrie wird nach Angaben seines stellvertretenden Hauptgeschäftsführers Friedrich Gastell voraussichtlich in die Berufung beim Landesarbeitsgericht Frankfurt gehen. Eine Entscheidung darüber werde der Verband am 26. Februar treffen.

Die Bauarbeitgeber hatten den Tarifvertrag zur Lohnerhöhung am 30. August 1996 fristlos gekündigt. Gleichzeitig erklärten sie ihren sofortigen Rücktritt von der Vereinbarung über die stufenweisen Anhebung der Löhne und Gehälter auf Westniveau bis zum Oktober 1997. Sie begründeten den auch nach eigener Einschätzung „einzigartigen Schritt in der deutschen Tarifgeschichte“ mit der dramatischen Lage der ostdeutschen Baubranche. Das wegen des juristischen Sitzes des Verbandes zuständige Wiesbadener Arbeitsgericht gab jedoch in vollem Umfang den Gewerkschaften recht. Richterin Gesine Brackert sah keinen stichhaltigen Grund für die im Tarifrecht nicht vorgesehene fristlose Kündigung. In ihrer Urteilsbegründung warf sie den Arbeitgebern vor, keine Nachverhandlungen versucht zu haben.

Das Gericht erklärte den sofortigen Rücktritt von dem Stufenvertrag für unwirksam und wandelte die fristlose Kündigung des Lohnvertrags in eine fristgerechte Kündigung zum Ende der Laufzeit am 31. März 1997 um. Außerdem verurteilte es den Verband, auf seine Mitglieder einzuwirken, die Vereinbarungen zu befolgen. Der IG- BAU-Vorsitzende Klaus Wiesehügel wertete das Urteil als ein Signal für die Flächentarifverträge. „Das Wesen der Tarifverträge ist die Laufzeit. Auf sie muß man sich verlassen können, sonst sind die Verträge das Papier nicht wert“, sagte der Gewerkschafter.

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