Wir bekennen: Wir haben beherbergt

Die Crème der jungen französischen Filmemacher protestiert mit einer Selbstanzeige und einem Aufruf zum zivilen Ungehorsam gegen die Verschärfung des Immigrationsgesetzes  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Wir bekennen, wir sind schuldig. Wir haben Ausländer ohne Papiere bei uns beherbergt. Und wir werden es wieder tun.“ Die nur wenige Sätze lange Selbstanzeige, unterzeichnet von 59 französischen Filmemachern, wurde am Dienstag abend in Paris bekannt. Gestern erschien sie – von vielen weiteren Regisseuren unterschrieben – in mehreren Zeitungen.

Die Selbstanzeige, die zwei Tage nach dem spektakulären Wahlsieg der rechtsextremen Front National in Vitrolles begann, ist zugleich eine Anklage. Sie richtet sich gegen den Gesetzentwurf von Innenminister Jean-Louis Debré, der die „illegale Immigration“ begrenzen will. Sein Gesetz, das bereits in erster Lesung das Parlament und den Senat passiert hat, sieht unter anderem vor, daß Gastgeber in Frankreich künftig „Beherbergungszertifikate“ für ihre Besucher aus Nicht-EU-Ländern beantragen und daß sie ebenfalls die Abreise ihrer Besucher melden müssen. Ausstellungsbehörde dieser Zertifikate sollen die Bürgermeister sein, die zugleich eine „Beherberger-Kartei“ anlegen sollen, um „Beherbergungsprofis“ – so der Sprachgebrauch des französischen Innenministeriums – abzuschrecken.

Am Anfang der Protestaktion steht die jüngste Generation französischer Filmemacher, die bis dato politisch unauffällig war. Darunter Sandrine Veysset, die gerade einen vielbeachteten einfühlsamen Film über eine brutale Kindheit in Frankreich veröffentlicht hat („Yaura-t-il de la neige a noäl?“), Mathieu Kassovitz, der vor zwei Jahren international mit seinem Schwarzweißfilm über Jugendliche aus der Banlieue („La haine“) Furore gemacht hat und Cedric Klapisch, dessen sympathische Pariser Milieustudie mit Katze („Chacun cherche son chat“) im vergangen Jahr die Kinokassen füllte.

Der Aufruf zum zivilen Ungehorsam – die Filmemacher fordern ihre Landsleute auf, ebenfalls das kommende Gesetz zu brechen – steht in einer fast vergessenen, aber einst mächtigen Tradition. Zum letzten Mal brandete sie 1971 auf, als prominente Frauen aus dem Showbusineß sich öffentlich selbst anzeigten: „Ich habe abgetrieben.“ Davor hatten im Jahr 1959 französische Schriftsteller das „Manifest der 121“ verfaßt, in dem sie zur Totalverweigerung im Algerienkrieg aufriefen.

Durch den Gesetzentwurf von Debré und die bereits jetzt laufenden Verfahren gegen Franzosen, die Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere beherbergt haben – Anfang Januar gab es in Nordfrankreich einen erneuten Schuldspruch gegen eine junge Frau, bei der ein zairischer Freund übernachtet hatte –, sind neben den Filmemachern auch andere Gruppen mobilisiert worden. Mehrere Dutzend französische Bürgermeister kündigten dem Innenministerium bereits an, daß sie nicht bereit seien, „Berherbergungszertifikate“ auszustellen. Seit Wochen kursiert in Paris außerdem ein Aufruf mehrerer Hilfsorganisationen zum zivilen Ungehorsam. Darin wird ein Passus aus einer Verordnung des Vichy-Regimes von 1941 zitiert. „Alle Personen (...), die Juden beherbergen, müssen binnen 24 Stunden nach deren Ankunft besondere Meldung auf dem Polizeikommissariat erstatten“, heißt es in verblüffender Ähnlichkeit mit den Bestimmungen für das „Beherbergungszertifikat“.