: Bleib bloß sauber, Karli!
Der Mann, der Nelson Mandela eine Sachertorte schenkte, hat eine Autobiographie geschrieben und moderiert seinen 100. „Musikantenstadl“ (Sa., 20.15 Uhr, ARD) – eine Gratulation ■ Von Uwe Mattheiß
Was haben Marlon Brando und Karl Moik gemeinsam? Sie bereichern den deutschen Buchmarkt mit ihrer Autobiographie. Damit hören die Gemeinsamkeiten auch wieder auf. Während uns der alte dickleibige Zyniker vermutlich wieder mit irgendwelchen Skandalen aus seinem patscherten Leben, den üblichen Sex- und Suffgeschichten langweilt, legt Karl Moik zur 100. Wiederkehr des „Musikantenstadl“ eine bewegende Lebenserinnerung vor, in der kein Auge trocken bleibt.
Ein Musikantenstadl geht um die Welt
Schon das erste Kapitel „Tränen lügen nicht“ zeigt einen Menschen, der sich von ganz unten gegen den Widerstand von „Neid, Neidern und Intrigen“ hochgearbeitet hat (auch das eine Kapitelüberschrift) und doch er selbst geblieben ist. Ein gestandener Mann, der auf der Höhe seines Erfolges noch immer die Größe hat, überquellende Gefühle zuzulassen. „Aus einzelnen Tränen wird ein ganzer Strom, und ein heftiges Schluchzen schüttelt meinen Körper.“ So war es um ihn geschehen unter dem Rotlicht der aufnahmebereiten Fernsehkamera. „Livesendung! Eurovisionsübertragung!“ Millionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sahen zu. „Und ich stehe da und heule wie ein Schloßhund.“
Wer hätte das erwartet, von einem Routinier und Medienprofi, der jede erdenkliche Zuschauermasse mit einem jovialen und markigen „Servus!“ zu nehmen weiß und nach wenigen Minuten die Menge todsicher zu einem „Superapplaus“ treibt. Dabei galten diese aufrichtigen Tränen der Rührung gar nicht einem der zahlreichen Höhepunkte der Karriere des Karl Moik. Sie wurden nicht in Kapstadt vergossen, nicht in Toronto, nicht in Melbourne, nicht in Moskau, nicht in Cottbus, bei den Brüdern und Schwestern kurz nach der Maueröffnung, und auch nicht in Linz beim ersten „Stadl“. Sie galten Stefan Mross, dem jungen aufstrebenden Musikanten. „Der kleine Trompeter“, der ihm einst als neunjähriger Bub den „Gumminambo“ vorspielte und nun 1989 den „Grand Prix der Volksmusik“ erkämpft hatte, ließ sein professionelles „Mein Gott, das war jetzt schön“ verstummen.
Karl Moik und der „Musikantenstadl“ haben mit Pauken und Trompeten die Welt erobert. „Rotz und Wasser“ flossen sicher auch beim „Stadl“ in Kapstadt, dem vorläufigen Höhepunkt in Moiks Karriere, er wurde zu Nelson Mandela zitiert und durfte ihm eine Sachertorte überreichen. Kein linker Student, keine Dritte- Welt-Gruppen-Aktivisten, sondern er, der Moik-Karli aus Hallein bei Salzburg, und das volle 17 Minuten, selbst der österreichische Außenminister bekam nur zehn!
Nein, der Erfolg war diesem Menschen nicht in die Wiege gelegt. Der Vater, ein „Musiker, ein Hallodri, ein Windhund“ wie Klein- Karli später zeitweise selbst, verzog sich, so daß die Mutter den Jungen allein durch die schwierigen Kriegsjahre brachte. Ein Leben voller Entbehrungen begann, aber Anstrengung wurde belohnt. Karl traf Edith, sie wurde sein „Eheweiberl“ und schenkte ihm später zwei propere Kindlein Wolfgang und Evelyn. Das Zusammenspiel aus vorbildlicher Leistungsbereitschaft (Karl Moik) und uneigennütziger Opferbereitschaft (Edith Moik) wurde schließlich unschlagbar.
Wie aus Karli beinahe ein Jazzer wurde
Zunächst aber kamen harte Jahre, aus denen Moik ein pikantes, bislang unbekanntes Detail seiner Biographie enthüllt: Er war einmal Jazzer. Der US-Sender AFN im nahen Berchtesgaden hatte das Kriegskind zum demokratischen Lebens- und Musikstil umerzogen. Mit den „Jolly Austrians“ zog er durch ganz Europa, später schlug er sich als Rundfunkreporter durch. Als er dann eine „Volkstümliche Hitparade“ moderieren sollte, erlebte er seine Bekehrung. Und hatte nicht sogar der Chef der „Original Oberkrainer“, Slavko Avsenik, irgendwie den Swing weiterentwickelt?
Wer auf der Karriereleiter hinauf will, muß mehr arbeiten als andere, das wußte er, das wußte seine Familie. Er war schon manchmal ein „Rabenvater“, wie er heute selbstkritisch anmerkt.
Die Guerilla zum Schunkeln gebracht
Doch dann kam der Durchbruch, mit einem eigenen Konzept für die Abendunterhaltung ließ ihn das österreichische Fernsehen auf Sendung. Den Rat eines Kollegen hat er nicht befolgt: „Halten S' so viel wie möglich die Gosch'n, dann machen S' die wenigsten Fehler.“ Gegen alle Neider und „Giftspritzen“ hat er sich behauptet. Der „Stadl“ wurde oft kopiert und nie erreicht. Ein guter „Leithammel“ ist eben selten.
Hat Moik alles erreicht? In Moskau hat er das Eis gebrochen, in Cottbus empfing er 17 Millionen ostdeutsche Neubürger mit offenen Armen. In Kapstadt hat die friedliche Botschaft der Volksmusik die vormals kommunistisch unterwanderte Guerilla zum Schunkeln gebracht. Nur in China war der „Stadl“ noch nicht erfolgreich. Auf geht's Karli, gemma nach Peking und zeigen den Kinesen wia ma a Musi spielt! Vielleicht so: Ein Freiluftstadl auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Die „Zillertaler Schürzenjäger“ spielen „Sierra Madre“. Hunderttausende von Chinesen entzünden ihre Feuerzeuge und summen das Lied mit als Hymne einer neuen Demokratiebewegung. Und Karl Moik, den Tränen nahe, haucht hernach ins Mikrofon: „Mein Gott, das war jetzt schön!“
Das Buch zum Stadl: Karl Moik: „Ich habe nichts geschenkt bekommen“, edition Ferency; 304 Seiten, 39,80 DM
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