: Kriegsflüchtlinge sind ein todsicheres Geschäft
■ 60.000 Zairer sind nach Tansania geflohen – und machen Tansanias Fischer reich
Kigoma (dpa) – 62 Tage lang widerstand das Bataillon von Major Mkuna Bebe Lubinga den Angriffen der Rebellen im Dschungel von Ostzaire. Dann war die Munition verschossen. Wasser und Verpflegung waren aufgebraucht. „Da habe ich meinen letzten Befehl gegeben“, sagt der Major. „Weg hier und über den See nach Tansania!“
Am Donnerstag trafen die 153 Offiziere und Soldaten der einst mehr als 300 Mann starken Einheit hungrig und entkräftet in Kigoma auf der tansanischen Seite des Tanganjikasees ein. Vier 60-mm-Granatwerfer, sechs israelische Uzi- Maschinenpistolen, 54 leichte Maschinengewehre chinesischer Produktion, fünf Pistolen und 28 Nato- Standardgewehre übergaben sie der tansanischen Polizei. Nun werden sie in überfüllten Nothilfelagern versorgt. Mit ihnen sind rund 60.000 andere Zairer in den vergangenen drei Wochen vor den Rebellen geflohen.
Und jeden Tag bringen Boote etwa 1.200 weitere Kriegsflüchtlinge. Jeden Morgen stechen am Strand von Kigoma unzählige Fischerboote noch vor Sonnenaufgang in See. Am späten Nachmittag kommen sie zurück, gefährlich überladen mit apathisch vor sich hin starrenden Menschen. Sie bringen ihre letzte Habe mit, in Bündeln verschnürt – Schüsseln, Decken, auch Fahrräder.
Die meisten mußten ihre gesamten Ersparnisse opfern, um die 20 Dollar aufzubringen, die die tansanischen Fischern als Mindestbetrag pro Kopf für die Überfahrt verlangen. Früher war Kigoma ein großer Umschlagplatz für Sklaven, die arabische Händler von der anderen Seite des Sees holten und dann zum Weiterverkauf nach Sansibar brachten. „Hundert Jahre danach sind jetzt die Flüchtlinge das große Geschäft“, sagt ein UN- Helfer. George Nzunda zum Beispiel läßt mit seinen drei Booten täglich mindestens hundert Zairer über den Tanganjikasee holen. Das bringt rund 2.000 Dollar ein – Tag für Tag. Dafür müßte er sonst fast ein Jahr lang auf Fischfang gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen