: Mysteriöser Richtermord in Ruanda
■ Tödliche Schüsse kurz nach Verhängung des Todesstrafe gegen Karamira
Kigali/Berlin (taz) – In Ruanda, wo derzeit Prozesse gegen die Täter des Völkermordes von 1994 laufen, ist der höchste Richter des Landes ermordet worden. Vincent Nkezabaganwa, Vorsitzender des „Staatsrates“, der als höchstes Gericht des Landes gilt, wurde am Freitag abend von drei unbekannten Tätern in Uniform an der Einfahrt zu seinem Haus erschossen, wie seine Frau am Samstag erklärte. Über die möglichen Täter oder Hintergründe gibt es keine Informationen. Drei Ruander, über deren Identität es auch keine Informationen gibt, wurden nach Polizeiangaben ebenfalls bei der Schießerei getötet. Ob es sich bei diesen um die Mörder des Richters handelt, ist nicht klar. In Ruanda sind seit der Rückkehr Hunderttausender Hutu-Flüchtlinge aus Zaire und Tansania im November vergangenen Jahres zahlreiche Anschläge auf Anhänger des Tutsi-dominierten Regimes verübt worden.
Am späten Freitag nachmittag hatte ein Gericht in Ruandas Hauptstadt Kigali den ehemaligen Partei- und Milizenchef Froduald Karamira zum Tod verurteilt. Der ehemalige Geschäftsmann, Gründer der an der Planung des Völkermordes beteiligten Partei MDR- Power, war der bisher wichtigste Täter, der in Ruanda vor Gericht stand. Zusätzlich zum Todesurteil, das aufgrund der staatlichen Anklage verhängt wurde, sprach das Gericht den als Privatklägern aufgetreteten Verwandten von Hinterbliebenen des Völkermordes insgesamt 1,1 Milliarden ruandische Franc (ca. 28 Millionen Mark) Entschädigung zu. Es blieb damit deutlich unter der geforderten Summe von fünf Milliarden ruandischen Franc. Das Geld soll, soweit möglich, dem eingezogenen Vermögen Karamiras entnommen werden. In einem Präzedenzurteil entschied das Gericht zugleich, der ruandische Staat hafte bei den Völkermordprozessen für Entschädigungsansprüche, falls diese nicht aus dem Besitz des Verurteilten gedeckt werden können. Dies hatte Ruandas Regierung bisher abgelehnt.
Karamira sagte nach der Urteilsverkündung: „Wenn mein Tod zum Frieden in Ruanda beitragen kann, akzeptiere ich den Tod.“ Sein Anwalt kündigte hingegen Berufung an. Vorerst bleibt Karamira im Zentralgefängnis von Kigali. Er war vor der Urteilsverkündung in Isolationshaft verlegt worden – nach Angaben des Gefängnisdirektors aus Sicherheitsgründen. Karamira hingegen sagte der taz im Gefängnis, man habe ihm gesagt, er müsse in Isolationshaft bleiben, weil er Interviews gegeben habe. Andrea König/D.J.
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